„Unter Null“


Bestellt und nicht abgeholt

Mit Filmen über sich selbst hatte Hollywood selten Glück. So auch dieses Mal. Die Roman-Vorlage („Less Than Zero“) war eine Anklage gegen die Schein-Welt, der sich der schöne und reiche Nachwuchs hingibt. Der Film aber ist ein Hochglanz-Produkt eben dieser Schein-Welt. Statt „Pretty In Pink“ heißt es diesmal: „Pretty On Dope“.

Die Digitaluhr zeigt Vier Uhr dreißig. Das erste, was Clay wahrnimmt, ist sein schmerzend trockener Mund. Ein Blick zur Seite -— und er erinnert sich: Clay liegt mit Griffin im Bett. Gestern Nacht auf Kims Party hat er ihn kennengelernt. Griffin ist ein Bekannter von Clays Freundin Blair, die auch da war, die er aber stehen ließ. Auch sein Dealer Rip war da. Von dem hatte er ein Gramm gekauft.

Clay schleicht aus dem Haus. Bevor er seinen Wagen startet, legt er sich im Handschuhfach eine Line. Zu Hause schaltet er MTV ein, ohne Ton. Er starrt auf stumme Videos und versucht einzuschlafen.

Vier Stunden später bringt er sich mit drei Lines und 20 Runden im Pool wieder hoch. Er sperrt die Tür zu seinem Zimmer ab, damit seine zwei jüngeren Schwestern nicht wieder Koks klauen. Er wird seinen Vater zum Lunch begleiten und im offenen Mercedes 450 den Sunset Boulevard entlanggleiten. Sein Vater wird Bob Seger in voller Lautstärke spielen und ihn nach dem College an der Ostküste fragen.

Das war eine typische Episode aus „Less Than Zero“, dem Roman von 1985, der in Amerika zum Kult-Buch erklärt wurde. Eine von vielen Episoden, die in der Film-Version von 1988 nicht auftauchen. Bret Easton Ellis schrieb mit 23 sein Erstlings-Werk über vier Wochen Weihnachtsferien in Los Angeles. Das Eintauchen in seine alte Clique, in den Kreislauf von Parties, Clubs, Alkohol und Drogen bis zum Umfallen und Sex mit jedem beschrieb er betont emotionslos. Das Leben in L. A. war stumpf, beiläufig und kalt. „Unter Null“ eben. Die Ferien machten erst recht deutlich, wie sehr die Beschäftigung mit Uni, Musik oder sonstwas nur Vorwand war. Ein wirkliches Ziel hatte keiner. Die einzigen Höhepunkte waren künstlich und kurz.

„Less Than Zero“ artikulierte die Ernüchterung über Sinn-Leere und über nicht erkennbare Perspektiven, mit der sich auch viele identifizieren konnten, die weder Pool noch Porsche vor der Haustür haben. Daß sich die Hollywood-Version des Hollywood-Elends gerade darauf, auf Pools und Porsches stürzen würde, war zu befürchten.

Regisseur Marek Kanievska („Another Country“) läßt Andrew McCarthy („Pretty In Pink“) durch den Film stolpern, als wäre er auf der Party seines großen Bruders. Seine größte Sorge gilt seinem Freund Julian (Robert Downey jr.), der permanent einige „Nasen“ zuviel hat. Zusammen mit Jamie Gertz („Lost Boys“) als Blair agiert er mehr als Drogenhelfer denn als Drogenwrack. Mit den Mitteln und den Gesichtern der einschlägigen Teenie-Filme wurde hier eine Geschichte verheizt, die eigentlich als Kriegserklärung gedacht war.

Umso gelungener der Soundtrack. Der Jam-Meister Rick Rubin packte außer den Bangles („Have Shade Of Winter“) rein: Run DMC, L.L. Cool J., Red Hot Chili Peppers, Slayer, Poison, Aerosmith, Public Enemy, Doors, Jimi Hendrix, David Lee Roth und mehr.