Weil Serien die besseren Gesellschaftsromane sind


Was blieb, nachdem an diesem Tag die letzte Folge "Lost" ausgestrahlt wurde, war Leere: Das sollte alles gewesen sein, nach sechs Staffeln, 114 Episoden, zahllosen Geheimnissen und mehr parallel montierten Zeitebenen, als selbst ein Stephen Hawking kapieren könnte?

24. Mai

Was blieb, nachdem an diesem Tag die letzte Folge „Lost“ ausgestrahlt wurde, war Leere: Das sollte alles gewesen sein, nach sechs Staffeln, 114 Episoden, zahllosen Geheimnissen und mehr parallel montierten Zeitebenen, als selbst ein Stephen Hawking kapieren könnte? Alles ging nur um das langsame Sterben von Jack Shephard – und bestenfalls die Hälfte der Rätsel gelöst? Der sentimentale Abschluss der Serie, der man sechs Jahre die Treue gehalten hatte, selbst über die vogelwilde vierte Staffel hinweg, war nicht der Stoff, mit dem Fernsehlegende geschrieben wird. Serienfanatiker konnten den Trennungsschmerz schnell überwinden, mit „Mad Men“ beispielsweise, Matthew Weiners Serie um eine New Yorker Werbeagentur in den 50-Jahren, die in der dritten Staffel eine traumwandlerische Souveränität entfaltet, von der „Lost“ nur träumen kann (am besten: Episode 3/6 „Guy Walks Into an Advertising Agency“). Sie wird bestenfalls getoppt von Staffel zwei von „Breaking Bad“: Die Geschichte eines krebskranken Chemielehrers, der seine Familie vor seinem Ableben finanziell sichern will, indem er als Speed-Fabrikant große Kasse macht, die sich in den letzten Folgen zu einer großen amerikanischen Tragödie auswächst, mit einer visuellen Gestaltung, die selbst im Kino nur selten zu finden ist. Diese Serien können es in Sachen Komplexität locker mit großen Romanen aufnehmen. ts