Willkommen in Avrilville!


Die Frage zog wie eine Leuchtrakete durch die US-Presse: Warum muss eine gestandene Frau von 36 Jahren, geschieden, ein Kind, sich plötzlich (gemeint war ihr Sexy-Chick-CD-Cover) wie die wildgewordene Teenie-Maus gerieren? Antworten gibt Liz Phair nicht ohne Verweis auf ihre grundguten Absichten: „Ich gehe immer an die Grenzen dessen, was Frauen zugestanden wird: Die Leute, die schockiert sind, dass ich mich als Mutter derart zeige, sollten in sich gehen und fragen: Wieso regt sie das so auf? Frauen in den 30ern sind sexuell auf dem Höhepunkt.“

Jetzt, wo das Album draußen ist, mit dem Liz Phair ihre fünfjährige Absenz im Rock’n’Roll beendete, hat sich die Aufregung wieder gelegt. Die Cover-Fotos der neuen Songkollektion, stellte sich alsbald heraus, korrespondieren doch prima mit den aktuellen Songs der Ex-Indie-Queen: Nackedei mit Gitarre spielt The Matrix in Rock. Willkommen in Avrilville! Mit ihrem Debüt Exile In Guyville traf Liz Phair 1993 die Gefühlslage einer ganzen Generation junger, wohlerzogener US-Mittelklassefrauen. In ihren scharfzüngigen, manchmal ironischen und meistens expliziten Songs über Liebe und Sex lag der Keim für einen Aufstand gegen die große Langeweile, das Album wurde als Handbuch für ein besseres Leben weit über die Indie-Szene hinaus gereicht. Wie ist ihr Verhältnis zur Frau, die 1993 Exile In Guyville schrieb? „Ich fühle mich erstmal einfach zehn Jahre älter, ein bisschen weniger wütend, aber es gibt noch immer diesen Druck, gewisse Themen anzusprechen: das schwierige Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Oh je, das waren meine miserablen Jahre damals…“

Mit denen hat Liz Phair demonstrativ abgeschlossen: Liz Phair, das Album, ist das schmucklose Gesuch an die Mainstream-Rock-Gemeinde, sie doch schlussendlich in ihre Arme aufzunehmen. Das Unterfangen, mit den dafür ausgebildeten Produzenten (u.a. das Avril-Lavigne-Erfolgsteam The Matrix) besetzt, darf erst einmal als gelungen bezeichnet werden: Chartseinstieg auf Platz 26 in den USA, ein „Rush Release“ in Deutschland folgte prompt.

Die Rolle der Tabubrecherin weist Liz Phair heute von sich („Ich meine, was soll man nach Eminem auch noch machen?“), wenngleich ihr mit dem Song „H.W.C.“ noch einmal ein ziemlich tougher Beitrag über die Freuden gelungen ist, die Frau bei Empfang des männlichen Spermas hat. „Kunst“, sagt Liz Phair „ist noch lange nicht das Leben. Kunst muss sich nicht innerhalb der Grenzen bewegen, innerhalb derer die Gesellschaft guten Geschmack definiert.“ Die Live-Band steht (keiner der Musiker vom Album ist dabei), gerade wird noch geprobt, dann geht’s in Kurzurlaub. Am 30. September kommt Liz Phair für ein Konzert auf deutsche Bühnen (Köln, Prime Club).

>>> www.lizphair.com