Meinung

Zum Geburtstag von Chuck Norris: Warum der Hype um den Texas Ranger nicht zum Lachen ist


Diese Karriere kann sich sehen lassen: Seit mehr als 50 Jahren steht Chuck Norris vor der Kamera. Das Internet feiert den Texas Ranger mit mehr oder weniger lustigen, in jedem Falle jedoch erfundenen Fakten. Doch bei Norris’ politischen Ansichten vergeht einem das Lachen.

Chuck Norris hat heute, am 10. März, nicht nur Geburtstag (seinen 81.), hat nicht nur zweimal bis Unendlich gezählt und Schach durchgespielt. Chuck Norris hält auch nichts von der Evolutionstheorie, glaubt, dass große Teile des Universums von einem sogenannten „intelligenten Urheber“ erschaffen worden sind, würde am liebsten die Ehe für alle abschaffen und hält es für richtig, inmitten der wachsenden Zahl von Amokläufen an US-Schulen einen Werbedeal mit einem Waffenhersteller einzugehen. Chuck Norris geht gar nicht.

Und nein, man kann Entertainment nicht einfach Entertainment sein lassen – insofern man neun Staffeln „Walker, Texas Ranger” oder den republikanischen Fiebertraum „Invasion U.S.A.” überhaupt in die bloße Nähe eines Unterhaltungsproduktes rücken möchte. Wer sich – in welcher Richtung auch immer – öffentlich politisch engagiert, kann nicht mehr losgelöst von seinem künstlerischen Schaffen betrachtet werden. Und Chuck Norris entscheidet sich bewusst dafür, sein popkulturelles Standing und seine dadurch erlangte Bekanntheit als Plattform für seinen politischen Aktivismus zu nutzen.

Ein Wolf im Intellektuellen-Pelz

„Aber früher war das doch auch kein Problem”, mag dem vielleicht manch eine*r entgegnen. Ob dem tatsächlich so war, ist eine andere Debatte. Fakt ist, dass sich während der mehr als 50 Jahre umspannenden Film- und Fernsehkarriere von Chuck Norris nicht nur der ganz individuelle Geschmack des Publikums, sondern die Gesellschaft sowie deren Werte verändert haben. Und sofern Chuck Norris nicht in einer Zeitblase lebt, muss er sich zu diesen Entwicklungen positionieren – und auch mit den Konsequenzen seiner Haltung leben. Denn das besonders in den USA so hochgehaltene Recht auf freie Meinungsäußerung ist auch im Land der Freiheit nicht das Recht, gehört oder von Gegenrede abgeschirmt zu werden.

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Warum aber schenkt man Chuck Norris dann überhaupt noch Aufmerksamkeit? Weil Chuck Norris kein öffentlich Radikaler ist, nicht mit weißer Robe rumrennt oder den Proud Boys einen monatlichen Mitgliedsbeitrag überweist. Norris gibt sich gerne als Intellektueller, der ja nur Fragen stellt und damit von seinen löchrigen Argumenten ablenkt. Das lässt sich besonders gut an einem Beitrag sehen, den Norris für das rechtskonservative Online-Magazin „Townhall” geschrieben hat.

Darin stellt er den wissenschaftlichen Konsens der Evolutionstheorie als „herrschende Orthodoxie” dar und wirft Bildungseinrichtungen vor, aufgrund von Vorurteilen gegen Gott, die Bibel und den Kreationismus „eingeschränkte Lernumgebungen” geworden zu sein. Und letztlich fragt er: „Warum können unterschiedliche Theorien über den Ursprung des Lebens nicht auch außerhalb von naturwissenschaftlichen Kursen präsentiert werden? Basiert Bildung nicht darauf, ein breites Spektrum an Wissen und Meinungen zu präsentieren?”

Äpfel mit Birnen, Wissenschaft mit Glaube

Und er hat recht. Kein vernünftiger Mensch wird dieses Statement ernsthaft infrage stellen. Doch diese Fragen sind Nebelkerzen, mit denen er seine zweifelhaften Positionen verschleiert. Er vermischt Wissenschaft mit Glaube, Fakten mit Meinung. Das ist der berühmte Vergleich von Äpfel mit Birnen. Und wer glaubt, die Gesellschaft aufgrund eines – um es etwas vereinfacht zu formulieren – Bauchgefühls in eine bestimmte Richtung steuern zu müssen, ist gefährlich.

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In einem weiteren Text für „Townhall” argumentiert Norris gegen das Recht von homosexuellen Menschen, zu heiraten – und zwar unter dem Deckmantel der Toleranz. Die fordert er nämlich für erklärte LGBTQIA*-Gegner*innen wie sich selbst ein und wirft der progressiven Gegenseite vor, Toleranz nur zu predigen, sie ihm jedoch nicht zu gewähren. Doch Toleranz hört genau an dem Punkt auf, an dem ein*e andere*r versucht, sie einzuschränken.

Kontext ist König

Welche Konsequenzen aus Aussagen wie diesen gezogen werden, muss jede*r für sich selbst entscheiden. Wenn eine Produktionsfirma Norris’ Werte nicht vertreten will, ist das in Ordnung. Seine DVD-Sammlung mit den ollsten Norris-Schinken zu verkaufen, ist auch in Ordnung. Chuck Norris öffentlich zu kritisieren ist nicht nur in Ordnung, sondern essenziell. Wir kennen das nicht nur aus Deutschland, sondern ganz aktuell auch aus den USA nur zu gut: Jeder Tabubruch verschiebt die Grenze des Sagbaren ein bisschen weiter in Richtung Extreme. Und aus Worten werden Taten. Taten erstürmen am Ende das Kapitol der Vereinigten Staaten und probieren sich an einem dilettantischen Staatsstreich.

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Sollte Chuck Norris aber deshalb aus dem popkulturellen Gedächtnis gestrichen werden? Nein. Er kann ruhig weiter den Law-and-Order-Ranger mimen. Genauso wie „Vom Winde verweht” immer noch als Kultklassiker verehrt wird, obwohl er die Sklaverei relativiert sowie Rassismus und Frauenfeindlichkeit propagiert. Genau wie die Geschichten „Huckleberry Finn” und „Pippi Langstrumpf” in nicht mehr ganz aktuellen Ausgaben mit dem N-Wort um sich schmeißen und sie trotzdem gerne Kindern in die Hand gedrückt werden. Hauptsache bleibt, den Stoff kritisch zu betrachten und sich vor Augen zu führen, wer was in welchem Kontext ausdrückt. Denn wir erinnern uns: Aus Worten werden Taten.

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