Zungenfertig


Musikerin und Medienprofi. Skin von Skunk Anansie ist beides. ME/Sounds begleitete sie zum Dreh mit VIVA ZWEI.

Kurz nach 17 Uhr, Clubraum „Wollenweber II“. Hier, im rustikalen Ambiente eines Hildesheimer Hotels, wird in wenigen Minuten das 2Rock-Drehteam von VIVA ZWEI auf Skunk Anansie treffen. Sängerin Skin und Bassist Cass sind vor einem Festivalauftritt Interviewgäste der Show. „Hotels sind die übelste Variante zum Drehen“, murrt 2Rock-Redakteur Stefan Kauertz. Der Raum ist hergerichtet, so gut es geht, aile Vorhänge sind zugezogen. Einzig in der Mitte wartet ein hellbraunes Ledersofa im Scheinwerferlicht.“Die Sendung läuft nachts, also achten wir darauf, daß die Interviews auch aussehen, als wären sie nachts gedreht“, verrät Kameramann Keersten Hüttner.

Dann kommt Bewegung ins Szenario. Cass betritt den Raum und hat nur ein Ziel: „COFFEE! Fucking fantastic!“ Auf dem Fuß folgt Skin, im dunklen Jeans-Anzug, mit schwarzer Sonnenbrille. Unsicher schaut sie sich um, freut sich, die Moderatorin Katja Giglinger zu erkennen, schiebt die Sonnenbrille in die Stirn und kiekst ein „Nice to see you again“. Wer den Bühnenderwisch Skin vor Augen hat, dürfte irritiert sein. Die Sängerin wirkt geradezu zierlich, kindhaft, ebenso freundlich wie interessiert. „Da gibt’s ganz andere, Prodigy zum Beispiel“, bemerkt Stefan Kauertz,“sobald die Kamera läuft, verfinstern sich deren Mienen“.

Zu viert – Skin, Katja, Cass und seine Tasse Kaffee – geht’s aufs Sofa. Kamera läuft. Das Interview wird in vier Schritten aufgenommen und dauert doch nur wenige Minuten: Was die Band in Zukunft plant, ob man vor den Auftritten noch nervös sei (nur in London, wenn die Mama kommt, gesteht der Bassist), wie das Leben auf Tour so läuft. Das war’s. Auf private Fragen, das weiß die Crew, läßt sich Skin nur ungern ein. Also verzichtet man drauf. Ein längeres Interview aufnehmen, die vollen 30 Minuten, in denen die Band zur Verfügung steht, und die besten Szenen verwenden, davon hält Stefan nichts. „Ich schneide ungern, weil ungeschnitten alles viel natürlicher wirkt.“ Stimmt, aber Skin und Cass sind gut aufgelegt und benehmen sich ohnehin völlig natürlich. Daß Cass eine weiße Rose aus einem Blumenbukett zupft und hineinbeißt, daß Skin, nach ihrem Sommerhit befragt, anfängt,“Un, dos, tres, Mariiiaa“ zu jodeln, das sind Interview-Momente, die alle Beteiligten hinter der Kamera zufrieden lächeln lassen. Was niemand sieht: Wenn die Kamera aus ist, geht der Spaß weiter. Als sich der ME-Fotograf auf der Suche nach dem perfekten Motiv einen Schritt zu weit vorwagt, beweist Cass schwarzen englischen Humor:

„Du solltest aufpassen! Fotografen sind nicht allzu populär in diesen Tagen“, droht er grinsend.

Redakteur Stefan nimmt mit der Band sogenannte „Teaser“ auf. Ansagen wie „Wir sind Skunk Anansie, und ihr seht VIVA ZWEI“/“unser neues Video“ / „Cass und seine Kaffeetasse“. Derweil flüstert Katja Giglinger „Sind die nicht nett?“, als könne sie es selbst kaum glauben. Die halbe Stunde ist um,Tourmanager Andy Ray mahnt zum Aufbruch. Der Kaffeeklatsch ist beendet. Skin entschwindet mit Andy zum nächsten Interviewtermin.

Stefan kneift Katja in die Seite, reckt den Daumen in die Luft und nickt ihr zu. Mit dem Interview sind alle zufrieden. Cass, der jetzt 30 Minuten frei hat, fachsimpelt mit dem ME-Fotografen über dessen Ausrüstung. Der begeisterte Hobbyfotograf knipst seine eigene Band fürs CD-Booklet und freut sich schon darauf, nach dem Skunk-Auftritt Festival-Impressionen einzufangen. Heute jedoch wird er kein schönes Motiv finden. Denn auf bei diesemAuftritt herrscht graue Einfalt, auf der Bühne wie im Publikum. Eigentlich will Stefan Kauertz dort noch Moderationen drehen. Ein Vorhaben, das er angesichts der trostlosen Beton-Ödnis des Flughafengeländes aber schnell aufgibt. Nur die ersten drei Stücke von Skunk Anansie werden live mitgeschnitten. Hier sieht man die Band denn auch, wie man sie kennt: Skin gibt die Raubkatze des Rock, und Cass bearbeitet vehement seine vier Saiten. Auch ohne ein Täßchen Kaffee.