Charles Mingus – Me, Myself An Eye

Seine vibes strahlen so intensiv, daß aus 30 Individualisten von drei Generationen für „Me, Myself An Eye“ ein kompaktes Orchester wuchs, und das obwohl er nicht mal die Aufnahmen (im Januar vorigen Jahres) leiten konnte, sondern seine Anweisungen per Tonband vermittelte. Das ist nicht parapsychologisch gemeint – es ist vielmehr die direkte und praktische Auswirkung der Energie einer großen, kreativen Musikerpersönlichkeit; mit hinein spielen wird sicher auch sein Faible für Psychoanalyse.

Selber konnte Charles Mingus an seinem letzten musikalischen Willen (dafür die Höchstwertung) nicht mehr mitwirken, weil er schon lange an den Rollstuhl gefesselt war – er starb Anfang Januar in Mexiko und wäre diesen Monat 57 geworden. Nun lagen seine wertvollsten Fähigkeiten weniger im Baßspielen, sondern effektiver im Verschweißen von Ensembles; im Knüpfen sozialer Beziehungen, die sich in phantastischen Leistungen offenbarten.

Das beweist sich schlagend an dem halbstündigen Werk „Three Worlds Of Drums“, das Erinnerungen weckt an „A Drum Is A Woman“ von Duke Ellington, den Mingus übrigens hoch verehrte. Während der Duke seine „Madame Jajj“ durch die Jazzgeschichte wandern ließ, sprang Mingus auf verschiedenen Ebenen hin und zurück und kreuz und quer. Der Dirigent Paul Jeffry muß bei den vielen Einsätzen ganz schön geschwitzt haben.

Unterhaltsamer ist auf der zweiten Seite „Devil Woman“ (Mingus hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Frauen), 1961 schon mal veröffentlicht. Besonders flüssig hier die Soli von Larry Coryell und den Brecker-Brüdern. Vom Schlage seines „You Better Get 1t In Your Soul“ läuft das vor bereits 20 Jahren geschriebene „Wednesday Night Prayer Meeting“ ab – jumpend und pfeffernd, daß dagegen die heutzutage unter dem Markenzeichen „Funk“ verkauften Produktionen zur Schleuderware verkommen.