Aphex Twin

Syro

Warp/Rough Trade

Electronica: Das sechste Album des musikalischen Grenzgängers zwischen sanfter Verstörung und lieblichen Melodien.

Vorfreude, Schnappatmung, ichglaubichwerdverrückt: 13 Jahre nach seinem letzten Album DRUKQS, bringt Richard D. James, aka Aphex Twin, ein neues heraus. „Mozart der elektronischen Musik“ wird der Ire in den digitalen Enzyklopädien genannt. Nennen wir Ihn lieber den Miles Davis der elektronischen Musik, weil auf ihn sich einigen kann, selbst wer dem Genre kritisch gegenübersteht. Ein Konsens, der weit hinauf geht bis in die „hochkulturellen“ Avantgarden.

Mit SYRO wird Aphex Twin, der große Innovator, der Vater der „Intelligent Dance Music“, der Grenzgänger erstmals flächendeckend durch die Feuilletons gejagt werden. Die Welt hat sich verändert seit seinem letzten Album, sie ist schneller geworden und nischiger und digitaler. Und die Aphex-Twin-Musik? Breakbeats, Acid-Techno, niedliche und weniger niedliche Soundscapes, spooky manipulierte Stimmen aus den dunklen Kellern der Musikherstellung, Nintendo-Bling, federnde Sequencer-Sequenzen. Ein Ausfallschritt nach rechts, einer nach links und eine Drehung um 180 Grad. Einmal singt Richard D. James auch. Und überhaupt: Was sind das bloß für unverschämt liebliche Melodien auf dieser Platte?

Selbstbeobachtung: Mit jeder neuen Anhörung wird SYRO, das sechste Album, des Iren, poppiger, klingt dann fast wie Easy Listening. Aber bleiben wir auf dem Teppich: Mit dieser zerfahrenen Musik lassen sich noch immer die Erwachsenen jeden Alters nachhaltig verstören. Kein Vorwurf, weil Aphex Twin auch 22 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung in seiner eigenen Liga spielt, sondern eine Feststellung: Jede Minisequenz in jedem Track auf diesem Album hätte in dieser Form auch auf jedem anderen Aphex-Twin-Album auftauchen können – auch das Piano-Stück „aisatsana [102]“ gab es vorher schon so ähnlich bei ihm. Das spricht einerseits für Aphex Twin und für einen gewissen „Trademark Sound“, untermauert aber auch die These, dass für die Weirdness – siehe die Selbstbeobachtung oben – in der elektronischen Musik heute auch andere zuständig sind: Flying Lotus und Actress zum Beispiel.