Fashion Killa

Aggressiv & derb: Was Cowboystiefel mit den Vengaboys gemeinsam haben


Ob Echsenleder oder Gummi: cool ist die Kombi, der scharfe Kontrast zum Rest. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves.

Yeehaw! Das Mädchen, das mir in der U-Bahn gegenübersitzt, wirkt auf einschüchternde Weise cool, was daran liegt, dass sie ihren Oversize-Hoodie, ihren superbreitschultrigen Herrenmantel, die Trainingshose mit Druckknöpfen an den Seiten und ihre tief in die Stirn gezogene Basecap mit extrem genervtem Blick kombiniert, und mit diesen Schuhen: riesige schwarze Cowboystiefel. Es sind nicht die 2500 Euro teuren „Nancys“ aus Eidechsenleder von Saint Laurent, die nach Nancy „These Boots Are Made For Walkin’“ Sinatra benannt sind, auch nicht die von Chloé (die haben mehr Stickereien) oder Diesel (die haben einen höheren Absatz). Es sind vermutlich Second-Hand-Modelle.

Kein Sneaker hat so eine aggressive, derbe Wirkung

Die Marke ist eh egal, wichtig ist allein die Wirkung: diese Aggression, die Cowboystiefel visuell vermitteln durch ihre scharfen Spitzen vorne und die hinten angeschrägten Absätze, die dafür designt scheinen, genüsslich Kippen im Staub auszutreten. Kein Sneaker hat so eine aggressive, derbe Wirkung. Wobei die Style-Kraft von Cowboystiefeln, dafür ist das Mädchen in der U-Bahn ein gutes Beispiel, auch stark vom Kontext abhängt, also davon, wer die Stiefel trägt, und wie. Wenn bierbäuchige Ü-50-Jeansrocker, die ihre verbliebenen Haare zu einem fusseligen Pferdeschwanz zusammenknoten, mit der Spießervariante von Western-Boots à la Deichmann herumlaufen (mit abgerundeter Spitze vorne, niedrigeren Absätzen, dünnerer Sohle usw.), dann sieht das ja lächerlich aus, und gar nicht derb.

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Wichtig ist insofern, dass die Form nicht verwässert ist und – für den Verfremdungseffekt – dass die Stiefel in Kontrast zum restlichen Outfit stehen. Wie in der U-Bahn, wo das Mädchen die Lockerheit ihrer Sportswear mit diesen Schuhen konterkariert. Es lässt mich daran denken, dass Achilles Ion Gabriel, der Designer von Camperlab, kürzlich sehr tolle Cowboystiefeletten designt hat, in denen Lockerheit und Toughness kollidieren.

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Sie heißen „Venga“ und sind vermutlich nach den Vengaboys benannt. Zu denen gehört ja – nach dem Village-People-„Für jeden Fetisch was dabei“-Prinzip – auch ein „Cowboy“. Der trägt einen Discokugel-Hodenschutz und Westernstiefel, mit oben herausguckenden Football-Socken. Irre! Inspiriert von diesem Clash haben die „Venga“-Stiefeletten neben einem hart angespitzten Cowboystiefelschaft eine bizarre Gummisohle, die aussieht, als hätte man mit den Fingern aus Fimo eine Cowboystiefelsohle nachgeknetet. Die Sohle nimmt dem Cowboy, oder dem Cowgirl, den Stachel, und bierernst verbindet sich mit Ulk. Yee-ha-ha!

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 04/2023.

Der Musikexpress 04/2023 mit Depeche-Mode-Special, Dirk von Lowtzow, Fever Ray & Caroline Polacheck