Meinung

Aluhut statt Maske: Sido ist jetzt auch Verschwörungstheoretiker – und entschuldigt Xavier Naidoo


Immerhin: Vielen der gerade für Schlagzeilen sorgenden Verschwörungstheoretikern und deren Glauben, sie hätten die absolute und einzige Wahrheit gepachtet, kann Sido anscheinend auch nicht allzu viel abgewinnen. Irgendwie dann aber leider doch.

Es scheint sich ein neues Geschäftsmodell in Zeiten der Coronakrise anzubahnen: Auch Sido ist nun unter die Verschwörungstheoretiker gegangen – zumindest teilweise.

In einem Interview, das Sido dem Rapper Ali Bumaye gab, wird er an einer Stelle auf die aktuelle Welt- und Konzertlage angesprochen. Anstatt sich an dieser Stelle auf seinen gesunden Menschenverstand zu verlassen, bezieht er sich anscheinend lieber auf dubiose „Quellen“, die er nicht genauer nennt. Er glaubt an „geheime Bruderschaften, die alten Clans“ und daran, dass Kinder verschwinden (tun sie, wie Erwachsene aber manchmal auch). Durch seinen Ausruf „Kinderblut“ spielt er auf die QAnon-Verschwörungstheorie an. Die USA werde demnach von einer unsichtbaren Schattenregierung gesteuert. Millionen von Kindern würden von ihr in unterirdischen Tunnelsystemen gefoltert und getötet, aus ihrem Blut werde das Hormon Adrenochrom gewonnen und als „Verjüngungstrank“ genutzt. Auch Xavier Naidoo glaubt daran, weil ein Soldat ihm persönlich erzählt habe, dass er so ein Ritual mit eigenen Augen gesehen habe.

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Ali Bumaye fragt, ob Naidoo nun absolut durch sei oder einfach nur verwirrt. „Xavier ist zu tief drin“, sagt Sido, schiebt dessen Gerede entschuldigend aufs Kiffen und mutmaßt, dass die Leute ihm selbst jetzt wohl Ähnliches vorwerfen könnten. Er erklärt aber auch: „Ich kenn‘ auch andere Rapper aus der Frankfurter Ecke, die mir erzählt haben, dass sie auch schon Kontakt mit komischen Menschen hatten, die ihnen komische Fragen stellten und ihnen klar gemacht haben: Es gibt sowas. Besonders in Frankfurt. Der alte Rothschild hat einen seiner Söhne nach Frankfurt geschickt, den anderen nach Wien, von dort aus haben sie sich ausgebreitet. Ich will da auch gar nicht zu tief drüber reden, nachher setzen die Leute mir’n Aluhut auf, aber es sind alles Fakten.“

Zu spät, Sido, Aluhut sitzt.

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Die „Mainstreammedien“ – und damit die, die teils auch Sido zu dem Popstarstatus verholfen haben, den er seit Jahren innehat – kommen bei ihm ebenfalls nicht gut weg. „Wir brauchen alternative Medien. Die großen Medien sind unterwandert. Die gehören alle irgendeinem reichen Typen, der versucht, dass er und seinesgleichen geschützt werden.“ Immerhin: „Wir brauchen wahrhaftige alternative Medien, Leute die gut recherchieren und auch mal sagen: ‚Ich weiß es leider nicht hundertprozentig, aber es könnte so sein.‘ Die sind sich aber immer so sicher: ‚Sido, dem sieht man das schon an, der ist ein Illuminat!‘“ Dieser Satz darf durchaus als Kritik an Verschwörungstheoretikern wie Ken FM und Co. verstanden werden.

An Trump als Messias glaubt Sido übrigens auch nicht. „Du hörst selbst wie er hetzt, was er sagt. Er trennt und hetzt, das macht für mich keinen Messias aus. Da kann er noch so gute Sachen machen.“ Und wenn man fast glaubt, Sido sei doch noch halbwegs bei Verstand, legt er nahe, dass die USA vielleicht gar nicht so schlimm vom Coronavirus betroffen sind wie die Medien uns glauben machen. „Ich gucke keine Nachrichten mehr“, sagt er und nennt ein weiteres krudes Beispiel dafür: Dieser Tage zunehmende häusliche Gewalt relativiert er damit, dass es die vor der Coronakrise auch schon gegeben habe und auch danach noch geben werde. „Warum berichten sie jetzt darüber? Das ist die Frage!“ „Warum“ sei überhaupt die erste Frage, die er sich stelle bei allen Themen. Dann sollte er konsequenterweise aber auch bei seinen eigenen Aussagen damit anfangen.

In dem Couch-Gespräch geht es außerdem um Rassismus im Deutschrap, Sidos größtes Vorbild Harald Juhnke und den Austausch von Nettigkeiten und Floskeln. Besagte Stelle, in deren Verlauf auch Sätze fallen wie „Afrika ist nicht so betroffen, kann aus unserem Unheil Profit schlagen, so wie es vorher der Westen mit ihnen machte“, könnt Ihr hier nachschauen:

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Xavier Naidoo im Interview: „Ich bin ein Rassist, aber ohne Ansehen der Hautfarbe“

Sido distanziert von Ken Jebsen, Attila Hildmann und Co.: „Ich halte die für sehr gefährlich“

Update am 14. Mai 2020:

Als Reaktion auf die öffentlichen Reaktionen auf sein auch hier zitiertes Interview hat Sido in einer Instagram-Story Stellung bezogen. Darin sagte er unter anderem: „Es kann sein, dass ich mich ab und zu vielleicht ein bisschen differenzierter ausdrücken muss, damit immer alle alles richtig verstehen“. In einem exklusiven Statement erläuterte Sido zudem gegenüber hiphop.de seine Andeutung auf die von Xavier Naidoo verbreitete QAnon-Theorie und die Entführung von Kindern: „Wenn es so ist, wie er sagt, ist es doch gut, dass jemand mit seiner Reichweite darüber aufklärt. Wenn es nicht so ist, wie er es sagt, […] dann ist es einfach nur verrückt. […] Ich bin auf keiner Seite. Ich weiß nicht, ob Dinge so sind oder nicht.“

Von besonders einschlägigen Verschwörungstheoretikern distanziert Sido sich nachdrücklich: „Im Grunde ist mir scheißegal, ob die Leute wieder versuchen, mir irgendwas in den Mund zu legen oder nicht. Meine ganze Karriere über läuft das so. Ich möchte nur nicht in einer Ecke stehen mit den Attila Hildmanns und KenFMs dieses Landes. Ich habe mit so was nichts zu tun. Ich sitze zu Hause und gucke mir diese Videos an und lache mich kaputt über die. Ich habe mit diesen Menschen nichts zu tun. Deswegen finde ich es jetzt einfach gerade richtig scheiße und gefährlich, dass mir diese Worte in den Mund gelegt werden und ich als Verschwörungstheoretiker verschrien werde.“ Sido hält Atilla Hildmann und Ken Jebsen alias KenFM „für sehr gefährlich.“

Am Donnerstag soll Sido auf ein Kamerateam der BILD-Zeitung losgegangen sein, das ihn „vor dessen Grundstück bei Berlin“ befragen wollte. Das Video schaltet die BILD-Zeitung leider vorerst nur für BILDplus-Kunden und -Kundinnen frei. Auf Instagram kommentierte Sido den Vorfall jedoch bereits selbst: Das Team solle froh sein, dass dabei nur ein Mikrofon kaputtgegangen sei.