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„Avengers 3: Infinity War“-Kritik: Ein Fest, das einfach nicht enden will


Nach 10 Jahren Vorherrschaft an den Kinokassen feiert Marvel seine Krönungsmesse. Nur leider findet diese Party einfach kein Ende.

+++ Achtung, der folgende Text spoilert nicht, verrät aber die Handlung der ersten Filmminuten +++

10 Jahre ist es her, dass mit „Iron Man“ der Siegeszug von Marvel (und später nach Aufkauf Disney) an den Kinokassen begann. 18 Filme hat das Marvel Cinematic Universe bis zum Start von „Avengers: Infinity War“ hervorgebracht, geschätzt eine Fantastilliarde US-Dollar eingespielt und einen Hype ausgelöst, der selbst für Fans der Filme kaum noch auszuhalten ist. Nun kumuliert das Filmuniversum mit den – und das ist die höchste Leistung der Produzenten – durchweg sympathischen Helden in „Infinity War“, einem auf dem Papier größten Filme aller Zeiten. Oder etwa doch nicht? Der Titel und das Marketing zum Film wollen es nicht wirklich verraten, aber „Infinity War“ ist nur die Hälfte der Marvel-Krönungszeremonie zum Jubiläum.

„Avengers 3: Infinity War“: Fanservice und Überraschungen

Eine der Schlüsselszenen: Eine Schlacht im fiktiven Land Wakanda.

In einem Jahr, im Mai 2019, wird der bisher noch titellose zweite Teil von „Infinity War“ starten. Und das Wissen um diese Fortsetzung entwertet den jetzigen Blockbuster, in dem (fast) alle bisherigen Helden zusammenkommen, enorm. Denn wenn die Russo-Brüder hier nach 2,5 Stunden ihren Cliffhanger in den Saal werfen, dann sind die Zuschauer eigentlich schon satt. Weil Marvel jetzt schon so ziemlich alles zeigt, was man sich vom Höhepunkt des Franchise erwartet. Und sogar noch einige Überraschungen bereit hält.

„Avengers 3: Infinity War“: Was für ein Cliffhanger

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Der Cliffhanger wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten, wir beschränken uns inhaltlich auf die ersten (circa 25) Minuten des Films. „Infinity War“ beginnt exakt dort, wo „Thor: Ragnarok“ endete. Thor, Loki und der Hulk sind mit einem Raumschiff im Weltall gestrandet, an Bord ist die restliche Population des Planeten Asgard, von dem Loki (Tom Hiddleston) noch einen der sechs mächtigen Infinity-Steine gestohlen hat. Thanos (Josh Brolin) sucht eben diese Steine, entert das Schiff und richtet ein Massaker an, tötet die Hälfte aller Passagiere. Thor kann entkommen und schwört Rache.

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Auf der Erde greifen Thanos‘ Elitemonster derweil Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) an, der ebenfalls einen der Steine besitzt. Der Magier wird entführt, Iron Man (Robert Downey jr.) und Spider-Man (Tom Holland) nehmen die Verfolgung auf und verlassen die Erde in einem Raumschiff, das direkt auf den Heimatplaneten des mächtigen Schurken Thanos zusteuert.

Die Russo-Brüder überraschen selbst treue Fans

Spider-Man im Weltraum, dazu ein Schurke, der mit einem Fingerschnippen das halbe Universum auslöschen möchte: Die Russo-Brüder überraschen die treuen Fans der Reihe vor allem mit purem Größenwahn. Hätten man den Spoiler-sensiblen Zuschauern im Vornherein gesagt, wohin die Reise für einige Helden geht – sie hätten es womöglich nicht geglaubt. Die „Avengers“ treffen hier auf die „Guardians of the Galaxy“, was Erde und Weltall zusammenführt und für groteske, schlicht comichafte Szenen sorgt. Und zwar mit einer kreativen Wut, die beispielsweise das „Star Wars“-Universum derzeit leider vermissen lässt.

Josh Brolin spielt Thanos, den Schurken des Films.

Die Wege der Helden folgen dabei interessanterweise nicht immer der besten Geschichte, sondern dienen teilweise nur dem Ziel Fanservice. Durch eine absurde Reise landet Iron Man irgendwann bei Star-Lord (Chris Pratt), weil die Russo-Brüder eben wissen, dass die Fans sehen wollen, wie sich die größten Egos im Marvel-Kosmos gegenseitig necken und über den besten Angriffsplan auf Thanos diskutieren. In „Infinity War“ werden alle paar Minuten Alpha-Tiere aufeinander gehetzt, allerdings nur mit dem Ziel der Pointe, die Handlung muss allein der Gegenspieler vorantreiben.

Die Jagd nach der nächste Pointe

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Thanos, der von Josh Brolin komplett via Motion Capturing zum Leben erweckt wird, ist der Star des Films – oder zumindest soll er es sein. Der Heimatplanet des irren Titanen wurde durch Überbevölkerung zerstört, seitdem will er das Leben im Universum halbieren. Und dafür benötigt er nun die sechs wertvollen Infinity Stones, die fast alle in den vergangenen Marvel-Filmen auftauchten. Das Thema Überbevölkerung taugt dennoch nicht zum Realitätsbezug, den man so gern im vermeintlichen Blockbuster des Jahres finden würde – Thanos und seine Schergen dienen schlichtweg banaler Action, die dafür zumindest unverschämt übersichtlich und ansehnlich inszeniert ist.

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Die Russo-Brüder wissen, dass die Bösewichte schon immer die Schwäche im Marvel-Universum waren, fast verzweifelt scheint der Versuch, Thanos nun mit Gefühlen und Motiven aufzuladen. An einer Stelle klappt das tatsächlich, da muss der Titan ein persönliches Opfer bringen, um einen der Steine zu erhalten. Auskosten kann „Infinity War“ solch emotionale Momente – und von denen gibt es einige – allerdings nicht. Die nächste Storyline ruft, die nächsten Gags, die nächste Gruppe von Superstars. Immerhin will man nicht umsonst Millionen für eine Scarlett Johansson auf den Tisch legen, die nun irgendwie durch den Film geschleppt wird. Genauso wie der Baum Groot oder Falcon, auf Fanliebling Hawkeye (Jeremy Renner) hat man gleich komplett verzichtet.

Das Thema ist ausgereizt

„Infinity War“ ist ein kompetenter Film. Bis auf die Storyline, in der Thor sich einen neuen Hammer besorgen will und in peinliche Szenen mit „Game of Thrones“-Star Peter Dinklage stolpert, reihen sich pointierte Dialoge an kreative Actionszenen. Die Russo-Brürder haben die Spielzeugkiste ausgekippt, die Marvel sich seit Jahren zusammengesammelt hat, und geben den Fans viel von dem, was sie erwarten. Enttäuschungen wie nach dem bisher letzten „Star Wars“-Film werden ausbleiben, gestorben wird den Wünschen der Zuschauer entsprechend ebenfalls.

Im letzten Drittel des Films passiert aber etwas, womit die Produzenten und Regisseure nicht gerechnet haben. Es stellt sich ein Sättigungsgefühl ein. Die Trümpfe wurden ausgespielt, neue Welten gezeigt und Action-Szenen kreiert, die irgendwann Millionen Views bei YouTube haben werden. Gefühlt geht nicht mehr, das Universum ist mit all seinen witzigen, heroischen und coolen Figuren ausgereizt. Es ist Zeit für den Zuschauer, seine Jacke zu nehmen und diese Kostümparty mit einem guten Gefühl zu verlassen. Genau in diesem Moment setzt der Cliffhanger ein, die Tür auf dieser Party ist von innen verschlossen. Marvel stellt klar, dass dieser Höhepunkt kein Ende ist, die Krönungsmesse ewig weitergehen soll. Ob man will oder nicht.

Fazit: Viel Action und viel Humor sind die Stärken des Superhelden-Jubiläums. Der ganz große Moment verpufft allerdings dadurch, dass die angekündigte und bereits abgedrehte Fortsetzung bereits einen Schatten auf „Infinity War“ wirft.

„Avengers: Infinity War“ startet am 26. April in den deutschen Kinos. 

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Disney/Marvel