Blumenkranz und Crackpfeife


Wer gut gekleidet ist, entscheidet Wäis Kiani. Heute vor dem Stilgericht: Courtney Love

Die Karriere der Courtney Love begann in dem Moment, als eine Kugel in Kurt Cobains Schädel eindrang, ihn tötete und sie zur berühmtesten Pop-Witwe der Welt machte. Dass sie vorher schon – als Frontfrau der Band Hole – mehr für die Emanzipation getan hatte als Alice Schwarzer, indem sie im Nachthemd auf die Bühne trat und dem Publikum ihr Höschen zeigte, war von geringerer Bedeutung.

Seitdem ist Courtney mal mehr, mal weniger bei Sinnen. Ihr größtes Hobby, mehr noch als die Musik, ist es, sich immer wieder mittels diverser, verbotener Substanzen aller Art gepflegt wegzuballern, was auch der größte gemeinsame Nenner mit ihrem Ehemann Kurt war. Je nachdem, was und wie viel sie gerade genommen hat, variiert ihr Look. Das lange Gewand auf dem Bild kombiniert mit einem Blumenkranz im Haar, im Stil einer Hohepriesterin, lässt beispielsweise auf einen seelenbefreienden Ecstasy-Crystal-Cocktail mit einigen tiefen Zügen aus dem Crack-Pfeifchen tippen. Ein kurzes Hoch hatte sie 1996 als Hollywood-Star in ihrer Rolle als Callgirl Althea Leasure in „Larry Flynt“. Es war ein bisschen wie die Verwandlung von Struwelliese zu einem anständigen Mädchen. Courtney speckte ab, ließ sich schnell die Nase und die Brüste machen, trug Versace, hing auf Donatellas Yacht ab. Aber bald wurde sie wieder schreiend und kreischend aus Gerichtssälen getragen. Die Tochter Frances Bean zog aus, verklagte die miserable Mutter – et voilá: das Sorgerecht für Kurts Tochter wurde ihr entzogen. Und in letzter Zeit macht sie gerne durch merkwürdige Sexbekenntnisse auf sich aufmerksam. Erst war es Gavin Rossdale, der angeblich Gwen Stefani mit ihr hinterging, jetzt berichtet sie von einer heißen Affäre mit Kate Moss und betont, Kate hätte nichts dagegen, wenn alle es wüssten.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass während der Fashion Week in London kurz vor der Pringle-Show die Dame mit der hellblonden Erzengel-Frisur im biederen braunen Tweed-Kostüm, moosgrünen Twin-Set und Argyle Strümpfen (von Pringle) von mir erst spät als Courtney Love erkannt wurde. Statt einer Handtasche hatte sie als Accessoire einen nassgeschwitzten Junkie dabei. Er hatte trotz dunkelbrauner Ränder in den Nasenlöchern die Aufgabe, die hin- und herschwankende Courtney aufzufangen, während sie der BBC irgendwelche Fragen über ihre Lieblingsmarke Pringle beantwortete. Irgendwann torkelten die beiden einfach davon und ließen die sprachlose Moderatorin mit dem Mikrofon in der Hand zurück. Man konnte noch sehen, wie Courtney einfach wegsackte, auf den Boden fiel und von dem jungen Junkie hochgehoben und weggetragen wurde. Mit Kurt hätte das alles so niemals funktioniert. Aber damals musste sie auch keine Repräsentationspflichten als glaubwürdige Botschafterin des guten Geschmacks einhalten.

Wäis Kiani

Die Mode-Kolumnistin und Bestseller-Autorin („Stirb, Susi!“) schreibt und lebt in Zürich.