Kolumne

Boom Tschak: Albert Koch über Niagaras „ÍMPAR“


Die Elektro-Kolumne von Albert Koch: Das portugiesische Trio Niagara gibt dem House-Genre ein paar entscheidende Impulse.

Die Band-Namedrop-Arie „Losing My Edge“ von LCD Soundsystem aus dem Jahr 2002 war ein ironischer Kommentar zu den Mechanismen der Popmusik. In dem Song ließ James Murphy neben Dutzenden anderen auch den Namen 
Niagara fallen. Die Gelehrten streiten sich bis heute darüber, wen er damit wohl gemeint haben könnte. Das französische Synthie-Pop-Duo Niagara scheidet aus, da sind sich alle einig. Aber meinte Murphy mit Niagara die Sängerin der legendären Proto-Punk-Band Destroy All Monsters, bei der auch Stooges-Gitarrist Ron Asheton dabei war? Oder doch die gleichnamige, nicht weniger legendäre deutsche Afro-Pop-Schlagzeug-Supergroup aus den 1970er-Jahren mit u.a. Udo Lindenberg?

Boom Tschak: Die Elektro-Kolumne von Albert Koch
Boom Tschak: Die Elektro-Kolumne von Albert Koch

Über wen Murphy garantiert nicht sprechgesungen hat, ist das portugiesische House-Trio Niagara, weil das erst seit ein paar Jahren existiert und gerade einmal drei EPs veröffentlicht hat, die jüngste, ÍMPAR (Principe/Cargo), ist dieser Tage erschienen. Wir wollen in Zusammenhang mit Niagara nicht gleich wieder von der Zukunft der House Music schwadronieren, aber müssen doch anerkennend feststellen, dass António Arruda, Alberto Arruda und Sara Eckerson mit ihrer Musik das seit mehr als 30 Jahren gültige Koordinatensystem des Genres ordentlich zum Wackeln bringen.

Das Trio aus Lissabon spielt auf den fünf Tracks von ÍMPAR funky, elastischen und federnden House, der durch den dominanten Funk-Bass einen hübschen Mutant-Disco-Einschlag erhält. In die rauen, aber organisch dahinrepetierenden Tracks bauen Niagara auch ein paar nette experimentelle Stolperfallen ein, es gibt schiefe Beats zu schrägen Synthesizer-Sounds und ein paar ordentliche Dissonanzen. Das alles erhält zusätzlich eine gewisse Kantigkeit durch die Tatsache, dass es live eingespielt und abgemischt wurde. Jede Ausgabe von ÍMPAR ist ein Unikat durch das handgemalte Plattencover. Niagara-Releases sind erfahrungsgemäß schneller aus den Läden verschwunden, als sie hineingekommen sind.