Kommentar

Sammlerklage: Warum man den Record Store Day ignorieren sollte


Am 13. April 2019 ist wieder Record Store Day - eine Veranstaltung, die man schon wegen der Gewinnmaximierung der Major-Labels mit Backkatalogen meiden sollte. Ein Kommentar von Albert Koch.

Seit genau fünf Jahren steht die „Original Singles Collection“ mit sieben 7-Inches der California-Punks Dead Kennedys in meinem Plattenschrank. Originalver- und unausgepackt. Ich habe sie an einem Record Store Day gekauft und ins Regal gestellt und seitdem nicht angerührt. Die Box ist für mich Sinnbild für den Unsinn des Record Store Day, der seit 2007 jährlich am dritten Samstag im April stattfindet, wo weltweit exklusive Vinylplatten in „teilnehmenden Plattenläden“ angeboten werden. Der Record Store Day (RSD) soll den Sammlertrieb ansprechen und Begehrlichkeiten wecken – oder besser Begehrlichkeiten erzeugen, weil sie gar nicht vorhanden sind, wie das Beispiel Dead Kennedys zeigt. Ich mach‘ da nicht mehr mit.

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Majorlabels in unabhängigen Plattenläden

Der Berliner Plattenladen Oye Records auch nicht. Er hatte vor drei Jahren seinen Ausstieg aus dem RSD erklärt, u.a. mit der Schwemme von unnötigen Wiederveröffentlichungen seit sich die Major-Labels verstärkt an diesem Feiertag der Plattensammler beteiligen. Bereits im Jahr davor hatten sich die beiden britischen Indie-Labels Howling Owl und Sonic Cathedral bei den Organisatoren des RSD beklagt. Die Veranstaltung habe sich zu einem „weiteren Event im jährlichen Musikindustrie-Zirkus“ entwickelt – mit negativen Effekten auf die kleinen Labels. Sie erhielten folgende Antwort: „Um es klarzustellen, der Zweck des Record Store Day ist es nicht, unabhängige Labels zu promoten, sondern unabhängige Plattenläden (der Hinweis steckt im Namen)“. Soso.

Ziel-und planlose Platten

Major-Labels veröffentlichen ziel- und planlos Platten am RSD, die dann in „unabhängigen Plattenläden“ verkauft werden sollen. Zum Beispiel im Jahr 2016 die „limited picture disc“ des Justin-Bieber-Albums PURPOSE oder THE DEMOS 1994–1998 von Alanis Morrissette – die sollen dann von Optimal in München, Space Hall in Berlin und Parallel in Köln verkauft werden. Oder Releases, die keinen Repertoirewert haben, sondern als reine Sammlerstücke konzipiert werden. Etwa die Picture-7-Inch „TVC15“ von David Bowie, oder „My Guitar“ von Frank Zappa als farbige 7-Inch. Natürlich alles künstlich verknappt und zu überteuerten Preisen angeboten. Perfider wird es nur noch, wenn ohnehin geplante aktuelle Releases für den April als RSD-Exclusives umgedeutet werden, und anschließend ganz regulär im Handel erhältlich sind.

Gewinnmaximierung mit Backkatalogen

Der Grundgedanke des Record Store Day ist ja durchaus ehrenwert: die Bewahrung des Kulturguts Schallplatte, die Unterstützung von „kleinen“ Plattenläden, von denen manche an diesem einen Samstag im April einen ganzen Monatsumsatz einfahren. Sei ihnen gegönnt. Doch ist der Tag der Schallplatte zu einem weiteren Vehikel der verbliebenen Major-Labels zur Gewinnmaximierung geworden. Sie können kostengünstig auf ihre umfangreichen Backkataloge zurückgreifen und ihre Wiederveröffentlichungen mit irrsinnigen durch nichts gerechtfertigten Gewinnspannen an den Handel weitergeben.

Wer sich die „Original Singles Collection“ der Dead Kennedys unausgepackt ins Regal stellen möchte, kann das übrigens immer noch tun. Sie ist heute noch bei einem großen Online-Anbieter erhältlich.

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Dieser Kommentar erschien erstmals 2016 im Musikexpress.