Die da oben

„Danke“, „Layla“: Warum das Vermächtnis der Zipfelbuben jetzt schon immens ist


Wie heißen die wahren Könige der Partywelthauptstadt Berlin? Richtig: Die Zipfelbuben. Die aktuelle Hitparaden-Kolumne von Julia Lorenz winkt vom Nussholztresen.

Das Vermächtnis der Zipfelbuben ist schon jetzt immens. Nicht nur, dass das Schlagertrio seit fast 20 Jahren Alben veröffentlicht (etwa: PARTY PARTY PARTY von 2009 oder TANZ TANZ TANZ von 2018) – nun verantwortet die einst in der, nun ja, Partywelthauptstadt Berlin gegründete Band auch noch den Hit der Stunde. „Zu Hause bist du schüchtern, hier bist du niemals nüchtern“, heißt es über die promiskuitive „Olivia“. „Dich kennt der ganze Laden, vom Kopf bis zu den Waden, und jeder kann dich haben“ – aber immerhin: „Man muss dich einfach fragen.“ Consent is king, selbst nachts halb 2 in El Arenal. Eine beinahe woke Zeile in einem Song, der ansonsten tut, was Ballermannhits halt tun sollen: noch die letzte Gehirnzelle aufweichen.

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Im August stand „Olivia“ auf Platz 2 der deutschen Singlecharts – hinter der ähnlich gesinnten „Layla“. Wir erinnern uns: Die Ode an die Sexarbeit, dargeboten von DJ Robin und Schürze, stürzte das Land im Sommer in eine Krise, weil die Stadt Würzburg mit den Betreibern eines Volkfestes vereinbart hatte, dass der als sexistisch kritisierte Song nicht in den Festzelten gespielt werden solle. Viele witterten den Tod der Kunstfreiheit. Der Ballermann-Unternehmer Matthias Distel, bekannt unter dem klangvollen Namen Ikke Hüftgold, durfte den (durchaus vom Streisand-Effekt befeuerten) Hype um „Layla“ in einem Gastbeitrag für „Die Zeit“ zum Aufstand von unten umdichten, dazu vor Zensur und Diktatur warnen.

Popkolumne: 10 Songs, die noch schlimmer sind als „Layla“

Warum an dieser Stelle noch einmal an das unwürdige Spektakel erinnert werden soll? Die Zipfelbuben sehen „Layla“ nicht etwa als Konkurrentin ihrer „Olivia“, sondern sich selbst Seit an Seit mit DJ Robin und Schürze. Erst im Fahrwasser dieser beiden echt wahren Freiheitskämpfer, verrieten sie kürzlich dem Fachportal Schlager.de, wagten sie den Release ihres schon 2019 entstandenen Songs. Nun kleben beide Songs in den Charts wie verschüttetes Bier am Nussholztresen. Und beweisen: Wenn es eine Sache auf der Welt gibt, die noch blöder als Mallorca-Schlager sind, dann sind es die Debatten um eben jene.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 10/2022.