Popkolumne, Folge 189

Popkolumne: 10 Songs, die noch schlimmer sind als „Layla“


Was hat einem eigentlich mehr die Lust auf deutschsprachige Musik genommen? Die schöne Puffmutter Layla selbst oder doch die Diskussion rund um diesen Ballermann-Hit aus der Vorhölle? In der neuen Popkolumne versucht Linus Volkmann sich und uns von jenem Thema abzulenken, indem er einfach noch schlimmere Songs präsentiert. Wenn das mal gut geht...

Hört mir auf mit Cancel-Culture. Niemand möchte irgendwem „Layla“ wegnehmen. Wie schon zu Anfang des konstruierten „Skandals“ auf dem penislastigen Hinterwäldler-Landtag der Jungen Union (#Baunatal) erprobt, soll sich doch einfach jeder, der es für richtig hält, mit diesem Bummschlager-Dung besudeln. I don’t care, wäre ohnehin jedes Verbot nicht durchzubringen – und würde den Mist noch sicht- und hörbarer machen. Außerdem: Wer mit diesem speziellen Stück jetzt das Ende des hiesigen Popabendlandes eingeläutet sieht, hat wohl vergessen, dass bei deutscher Popmusik die Durststrecken breiter sind als die Autobahn.

DJ Robin: Warum sein Song „Layla“ selbst für Macho-Schlager-Verhältnisse hirnrissig ist

Daher widme ich diese Kolumne zehn Stücken, die noch unerträglicher sind als „Layla“ von DJ Wurstgesicht und Schuppenflechte (Namen der Originalinterpreten können variieren, hatte keine Kraft sie zu googlen).

Wobei, einen Disclaimer voran braucht es wohl doch noch zu dieser Liste: Sicher gibt es peinliche Proberaum-Acts, deren Outcome noch fieser klingt als das hier gleich präsentierte – und ganz sicher werde ich keine misogyne Nazi-Scheiße hörbar machen oder gar sowas wie Frei.Wild auf den Zettel packen. Dennoch folgen nun ganz gruselige Stücke. Und, bitte sagt es nicht meiner Therapeutin, aber irgendwie freue ich mich drauf. Richtig schlimme Musik kann einen schließlich oft weit mehr aufkratzen als halbgute beziehungsweise ganze okaye.

Also, anschnallen. Die Pop-Geisterbahn setzt sich in Bewegung, jetzt gibt’s kein Zurück mehr.

Grup Tekkan – „Wo bist Du, mein Sonnenlicht?“ (2006)

Schlechte Musik ist, wer hätte es geahnt, eine äußerst subjektive Kategorie. Daher will ich mal mit einer einigermaßen verbindlichen Arschrakete starten: mit der legendären Grup Tekkan, die dank Internet und Stefan Raab mit dem Stück „Wo bist Du, mein Sonnenlicht?“ sogar kurz als echte Sympathieträger in Erscheinung treten konnten. Vermutlich weil großer Konsens darüber herrschte, dass hier tonal und rhythmisch so viel schief geht, so dass das Hören schon wieder etwas Befreiendes besaß in all dem sonst so sterilen Radio-Pop.

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Hubert Kah feat. Joachim Witt – „Terrorist der Liebe“ (2016)

Okay, Grup Tekkan ist Trash-Folklore, bei der man Milde walten lassen kann. Mal schauen, ob euch das hier auch noch gelingt… „Terrorist der Liebe“ war das Team-Up zweier NDW-Stars, die im Alter dann doch etwas „wunderlich“ wurden – wenn ihr diesen Euphemismus richtig zu lesen wisst. Dieses Wohnwagen-Epos des Wahns hier jedenfalls sollte man kennen und fürchten. Und in jedem Fall mit dem Video dazu goutieren. Ich schwöre, es gibt immer wieder Momente in diesem Clip, in diesem Song, da denke ich: Möglicherweise ist es doch das geilste Stück Pop aus diesem angebissenen Lande hier. In Wahrheit ist es natürlich einfach nur ein faszinierender Schrottplatz.

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Paffendorf – „Ruf mich an!“ (1998)

Wer sich noch erinnern kann, wie es war in den späten Neunzigern bei RTL oder ähnlichen nachts einen Film zu sehen, der ist definitiv nicht der Gen Z zuzurechnen. Aber vielleicht mag er oder sie sich ins Gedächtnis rufen, wie man mitunter aus dem Halbschlaf hochschreckte, weil plötzlich ein Werbeblock kam, der doppelt so laut schien wie das reguläre Filmprogramm. Werbung nach Mitternacht in jener Epoche hieß dann vor allem: Halbnackte Frauen sagen beziehungsweise stöhnen Zahlen in die Kamera. Diese ergeben Telefonnummern, die man gefälligst sofort wählen möge. Persönlich habe ich bis heute große Schwierigkeiten, Behörden, Arztpraxen oder auch nur einen Bekannten anzurufen. Schon damals schien es mir unsagbar schmerzhaft, einfach mal bei unbekannten Sexdienstleister*innen durchzuklingeln. Was soll man da denn bitte reden? Das kann doch alles niemand wollen! Dennoch hielt sich dieses auf Heteromänner ausgerichtete Angebot über Jahre. Die Werbung dazu schien immer grotesker, billiger und unangenehmer zu werden. Ziemlich einzigartig für den Popstandort Deutschland, dass sich aus diesem Geilheits-Kadaver im Jahre 1998 sogar noch ein Chartshit schälte! (Erschienen übrigens über Kontor Records, die einem heute „Layla“ überliefert haben. Stabiles Geschäftsmodell.)

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Bushido & Oli Pocher – „Kennst du die Stars?“ (2008)

Zwei Unsympathen tanken super. Und mit super meine ich natürlich den Achselschweiß von Satan. Aus dem Augenwinkel habe ich mitbekommen, dass sich die beiden C-Promi-Nacktmulle längst wieder verstritten haben. Aber hier bei dieser Kollabo aus dem unheiligen Jahre 2008 wollte jeder von ihnen sich am anderen noch ein wenig höher ziehen. Der daraus folgende musikalische Untergang belastete vor allem uns Menschen, die dieses unrunden Stücks Hate-Speech-Rap versehentlich gewahr wurden.

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Thomas Gottschalk & Die besorgten Väter – „What Happened To Rock’N’Roll?“ (2000)

„Sag mal, ist der Kerl plem plem? / Nein, Papa, das ist Eminem“.

Als Thomas Gottschalk im Jahre 1980 mit seinen Radiokollegen Frank Laufenberg und Mandfred Sexauer als GLS-United seine Ignoranz gegenüber einer neuen Jugendkultur mit Beats unterlegte, da mag es noch witzig beziehungsweise zumindest neu gewesen sein. Immerhin gilt ihr „Rapper’s Deutsch“ als erster deutscher Rap-Song (auch schon wieder bezeichnend). 2000 legte unser Thommy, der Berufsjugendliche der Nation, noch mal nach und kreierte damit aber höchstens noch den ersten offiziellen Dad-Joke auf Musikstücklänge. Wer hier ohne Fremdscham-Attacken durchkommt, ruht wahrlich in sich selbst…

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Freddie Quinn – „Wir“ (1966)

Dass sich alte weiße Männer über die Jugend entleeren mit ihrer madigen Weisheit und verzweifelten Missgunst, dafür muss man nicht in die offenen Karten aktueller Altherren blicken, die sich geifernd hinsichtlich „Fridays For Future“ äußern. Durch dieses Urinal flossen schon vor Jahrzehnten quasi dieselben Stücke und Meinungen. Und landeten am Ende – zum Glück – alle im Ausguss. Wie zum Beispiel Freddy Quinns „Wir“. Ein Fanal gegen die damalige Hippiebewegung, die gern zitierte Textblüten trieb wie „Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? Wir! / Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? Wir! / Ihr lungert herum in Parks und den Gassen / Wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? Wir!“ Alles klar, Opa, und jetzt bringen wir dich zu Bett.

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Rudolf Mooshammer – „Freud und Leid“ (2001)

Die frühen 2000er waren eine ganz besondere Zeit. Die erste Staffel „Big Brother“ öffnete neue Tore. Plötzlich schienen Musik und Prominenz nicht mehr nur für Musiker*innen oder Prominente reserviert. Das System wurde schon vor dem Mitmachinternet von YouTube (#BroadcastYourself) durchlässiger. Aber, um Himmels Willen, wer damals alles durch diese neu geschaffenen Tore in die kollektive Wahrnehmung schlüpfte. Zum Beispiel der seltsame Schneider Rudolf Mooshammer. Bar jeden Gesangstalents schaffte er es mit dem Stück „Freud und Leid“ sogar zum Vorentscheid für den deutschen Eurovision-Beitrag. Wer sich ernsthaft über „Germany zero points“ wundert, sollte reinschauen. Null Punkte sind einfach noch zu viel für diese Unpop-Nation.

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Die Bandbreite – „Bitte impft sie nicht!“ (2017)

„Ich hab ja selber zwei ganz wunderbare Kinder / Sie hatten Masern, Röteln, Mumps, was gar nich schlimm war“

Abenteuer Querdenker: unsolidarisch, irrational und mittlerweile großflächig pro Putin. Doch so richtig geil läuft alles nicht mehr für sie. Selbst große Telegram-Kanäle von Fake-News-Hirnis büßen Zulauf ein, lassen digital Federn. Tja, machen wir ihnen nichts vor: Ihr One-Hit-Wonder war die Sache mit dem Impfen – und so schön wird es nie mehr für sie sein. Doch diese Bewegung von 2020/2021 fiel nicht einfach so aus den Wolken beziehungsweise Mülleimern. Eine Bewegung zum Impf-Thema gab es schon vorher – und den groovy Soundtrack lieferte eine Band namens Die Bandbreite. Ihr defekter Schlüsselsong soll Einzug in diese Geisterbahnliste bekommen. Aber bitte mit Vorsicht „genießen“. Jeder einzelne Satz tut weh.

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 Joseph Beuys – „Sonne statt Reagen“ (1982)

„Aus dem Land, das sich selbst zerstört / Und uns den ‚way of life‘ diktiert / Da kommt Reagan und bringt Waffen und Tod / Und hört er Frieden, sieht er rot“

Joseph Beuys hat das Glück gehabt, zu Zeiten seiner späten Pop-„Karriere“ bereits als weisungsbefugter bildender Künstler verortet gewesen zu sein. So wurde ihm bei dem Stück „Sonne statt Reagan“ irgendeine Form von Fluxus, Happeningkultur oder gar DaDa-Einfluss unterstellt. Hört man heute diesen plumpen wie unmusikalischen Anti-Amerikanismus, muss man allerdings ernstlich fürchten, dass darauf gar nicht so viel doppelter Boden herrschte, sondern dass hiermit einfach nur ein ganz grottoides Lied den Weg in die Welt (okay: die BRD) fand…

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Die Schlümpfe – „Tekkno ist cool“ (1995)

Eine ganz große Belastung stellte in den Neunzigern folgende „Idee“ dar: Warum nicht die nervigsten Eurodance-Songs mit einer gepitchten Stimme versetzen und die ohnehin schon grenzwertigen Originaltexte einfach noch mal richtig „verschlumpfen“? So kam es. Und allen, die jetzt denken, das sind doch bloß randständige Kinderlieder, sei gesagt: Der Sampler „Die Schlümpfe – Tekkno ist cool“ aus dem Jahre 1995 verbrachte über ein Jahr (!) in den deutschen Charts und die CD wurde so oft verkauft, dass sie Doppelplatin-Status (!) erlangte. Da kommt „Layla“ trotz all ihrer Streaming-Millionen niemals hin…

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Zwischen Künstlern, die für nichts etwas können und Sluts, die an allem schuld sind – Paulas Popwoche im Überblick

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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