Kolumne

Hobby-DJ Bennett ist der Taxiteller des Techno


Der Koblenzer Hobby-DJ Bennett schubst mit großem Erfolg Ruhrstücke auf die Tanzfläche.

Der Taxiteller ist eine bemerkenswerte Erfindung. Speisen, die für sich genommen eigentlich schon prächtig funktionieren, namentlich Currywurst und Pommes sowie Gyros mit Tsatsiki, werden darauf zu einem unanständigen großen Ganzen kombiniert, das keinen Hehl aus seiner Kalkuliertheit macht. Nicht mehr als die Summe seiner Teile ist dieses Gericht, kein bisschen Magie entsteht in der Kombination zwei völlig gegensätzlicher Topseller. Allein das Versprechen doppelter, schlichter Freude macht den Erfolg dieser Nummer aus.

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Nach einem ganz ähnlichem Prinzip scheint der Technoproduzent Bennett aus Koblenz – Hobby-DJ seit knapp zehn Jahren, nunmehr 13 Millionen monatliche Hörer auf Spotify – seine aktuell immens erfolgreiche Musik zu montieren. Beweisstück Nummer eins: sein Song „Vois sur ton chemin“, der sich seit seiner Veröffentlichung im vergangenen Jahr beharrlich bis in die Top 5 der deutschen Singlecharts vorgekämpft hat.

Die unheilige Allianz aus Chormusik und Auf-die-Schnauze-Techno

Es basiert auf einem Chorstück aus dem französischen Tränendrücker- und Feelgood-Movie „Die Kinder des Monsieur Matthieu“, im Original sang das Lied ein Kinderchor, auf der Oscarverleihung 2005 Beyoncé, das ist natürlich kaum zu toppen – außer, man schubst so ein erhabenes Rührstück mit zackigen 140 beats per minute auf die Tanzfläche, bis sich auch der Letzte im Feierabendverkehr mal wieder so richtig spürt.

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Die unheilige Allianz aus Chormusik, die verlässlich für Schniefnäschen sorgt, und Auf-die-Schnauze-Techno ist nicht nur faul, sie lässt einen auch daran zweifeln, dass hinter dem Prinzip Hit tatsächlich eine komplizierte Alchemie steckt. Man kombiniere schlichtweg zwei Dinge, die man in Deutschland liebt wie wenig sonst – im Idealfall französisches Wohlfühlkino und grob geschnitzte Tanzmusik –, fertig ist der TikTok-Erfolg, der magiefreie Hit nach dem Prinzip Taxiteller. Womöglich würde das Internet explodieren, würde irgendein findiger Deutschrapper „Die fabelhafte Welt der Amelie“ für sich entdecken.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 5/2024.