Das Düstere Klar Definieren


Karpatenhund als sonniges Chartspop-Gegenstück zur Schwesterband Locas In Love abzutun, wäre zu kurz gedacht.

Es klang genial einfach: Björn Sonnenberg und seine musikalisch hochgebildete – und unkompromittiert indie – Locas-ln-Love-Gang schnappen sich eine smarte Sängerin und machen im Zweitprojekt Sunshine-Pop für die Hitparaden. Wer Karpatenhunds 2007 erschienenes Debüt #3 öfter als ein, zwei Mal anhörte, merkte natürlich, dass dem nicht so war: Die Verzweiflung, die Trauer, die Melancholie von Locas In Love fand sich auch bei der neuen, um Sängerin und MTV-Moderatorin Ciaire Oelkers gruppierten Band. Die Indie-Polizei nahm Karpatenhund trotzdem sofort unter Verdacht, grummelte etwas von “ Dürfen die das?“ und hantierte mit uninformierten Juli/Silbermond-Vergleichen. Den Popkids war’s nicht positiv genug. Parallel ging die Firma Virgin Records, die kurz zuvor den Bieterstreit um Karpatenhund gewonnen hatte, ein wie ein Kaktus im Regen. „Wir selber sind diesem Hype eh nie aufgesessen“, sagt Björn Sonnenberg. „Wir haben nie erwartet, über Nacht zigtausend Platten zu verkaufen.“ Aber sie waren plötzlich mittendrin im Popding, aus Neugier, mit Absicht – und einem „KLF- oder Wallraff-mäßigen Masterplan“.

Zwei Jahre später ist alles anders. Karpatenhund haben ein Album aufgenommen, das einiges von dem zurücknimmt, was das Debüt prägte, abernichtals Gegenentwurf zu verstehen ist. Das erste Album „war unser Angebot an klassischem Pop, mit Refrains und Strukturen, wie man sie kennt. Die Ansätze, die wir am interessantesten fanden, haben wir jetzt verschärft“, erklärt Bassistin und Artworkerin Stefanie Schrank. „Wir haben das Düstere klarer definiert, ohne Brüche durch freundliche Melodien“, fügt Ciaire Oelkers hinzu. Die gleiche Tiefe also, aber ein anderer Sound, dazu die vertraute Fülle von popkulturellen Referenzpunkten (der Titel der Platte verweist auf die Talking Heads, später werden u. a. Leonard Cohen und New Order zitiert…) Inhaltlich sind Locas In Love plötzlich ganz schön nah. Deren Postulat „Ich muss nicht funktonieren“ (aus „Maschine“) lässt sich auch als Leitfaden für DER NAME DIESER BAND IST KARPATENHUND verstehen. „Trauriger Pop funktioniert meistens über eine sehr flache Darstellung negativer Gefühle, oft über Liebeskummer“, so Björn Sonnenberg. „Dass es eine Ebene gibt, die all das hinter sich lässt, ist selten. Solche Dinge wollen wir betrachten. “ Trotzdem gibt es eine Trennlinie zwischen den zwei Bands, die schon beim Songwnting beginnt: „Die Stücke, die Ciaire singt, kann ich mir in den seltesten Fällen aus meinem Mund vorstellen“, sagt Sonnenberg. Dass der Klang nicht nur im Vergleich zum letzten Album, sondern auch zu Locas In Love anders ist, plötzlich bei The Cure und My Bloody Valentine andockt, passt dazu gut, dürfte aber auch mit Personalien zu tun haben: Früher teilte man sich den Schlagzeuger Maurizio Arca – heute sitzt bei Locas In Love Christian Schneider (Graf Zahl) an den Drums, bei Karpatenhund Saskia von Klitzing (Fehlfarben, FM Einheit). Die sich bei einer Band, die wie Silbermond oder Juli klingt, nicht blicken lassen würde. Aber das nur am Rande.