David Bowie: Ziggy Stardust – 40th Anniversary Edition ★★★★★


40 Jahre "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars" von David Bowie. Die Rezension und Live-Bilder von 1972 und 1973

★★★★★

The Rise and Fall Of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars! Es gehört Chuzpe dazu sein Album „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ zu nennen. Verdeutlichen doch schon die ersten Sekunden des Openers, dass scheinbar eben doch kein Klanginferno bevorsteht, mit dem man einen ausserirdischen Besuch verbinden würde. Stattdessen: Ein einsames Schlagzeug. In „ Five Years“ gibt es im Mitklatsch-Tempo den Takt vor, die anderen Instrumente stoßen nach und nach dazu. Und so gemächlich, wie David Bowie den Weltuntergang einläutet, dem noch „fünf Jahre“ erbärmlicher Existenz vorausgehen, schleicht sich dann doch ebenso gemächlich ein anderes das Gefühl ein: Angst. Bowie erzählt  – mit steigernder sexueller Unruhe  – vom Untergang: „Earth is really dying“, „my brain hurt like a warehouse“,  „ A Girl my age  went off her head“, „ A Soldier with a broken arm, fixed his stare to the wheel of a cadillac“ . Wenn Freud, Dali und Kubrick gemeinsam die Apokalypse verfilmt hätten, Bowie ’72 würde den Soundtrack dazu schreiben können. Brutal. Wäre da nicht dieses überraschende Ende, in dem Bowie alles andere ausblendet um ein Mädchen zu nageln, und mit größter Ironie seine Ziggy-Rolle hinterfragt: „And it was cold and it rained, so i felt like an actor“.  Bowie erkannte sich einmal mehr als Schauspieler. Wenn man sich danach einer Sache sicher sein durfte, dann dieser: David Bowie konnte 1972 über sich lachen. Trauriges Schicksal: „ Five Years“ fegte den Rest der Platte weg. Aber der Rest war zumindest in manchen Momenten fast genauso gut.

„Ziggy Stardust …“ markierte für lange Zeit die letzte Phase, in der Bowie noch über sich lachen konnte. Hier glaubte er ja noch seine Rollen, die später mehr und mehr zu Persönlichkeiten wurden, im Griff zu haben. Alles war okay. Danach kamen irgendwann „Diamond Dogs“, „Station to Station“ und „Low“, und es kamen Kokain und Heroin; Bowie, wie er später bekannte, beschäftigte sich, sobald ihn Cold Turkey heimsuchte, vor allem mit Fragen nach der eigenen Vergänglichkeit: Interessieren sich die Toten für die Belange der Lebenden? All das meinte er ernst.

1972 war die Welt aber noch in Ordnung.  Und auf „Ziggy Stardust“ war dann doch noch Platz für das Alien-Inferno. Song Nummer drei, „Moonage Daydream“: „I’m an Alligator / I’m a Mama-Papa coming For You – I’m The Space Invader, I’ll Be A Rock’n’Rollin’ Bitch For You“. Das liest sich wie ein Rap, es funktioniert auch wie ein Rap, und Mick Ronson gelingt derweil das Kunststück seine Gitarre tatsächlich wie eine Laserpistole (Pimmel). klingen zu lassen, die immer schneller feuert. Das ikonische Foto Bowies, wie er an Ronsons Instrument Fellatio simuliert, hat in „Moonage Daydream“ seinen Ursprung.  Glam, Sex From Outer Space, das Zwitterwesen – alles hier vereint, ein Höhepunkt der Bewegung.

„I’m The Space Invader, I’ll be a Rock’N’ Rollin’ Bitch For You“ . Hier liegt vielleicht das einzige Manko des Albums: Dass Bowie sich für „Rock’n’Rollin’“ als Genre entschied und die „Space Invaders“ mit diesen Arrangements ausstatte. Und Ronsons Laser-Gitarre ab Song Vier, der Single „Starman“, schon deutlich drosselte, die Platte vor allem mit Rock’n’Roll-Songs von der Bartheke, wie „Hang On To Yourself“ oder dem Gang-Gewalt-Opus „ Suffragette City“, beschleunigte. Beide Stücke bestätigen sicher, dass „Ziggy Stardust“ keine Konzeptplatte über Ausserirdische ist. Aber eben auch, dass sich Bowies Songwriting hier noch nicht wesentlich vom Vorgänger „Hunky Dory“ absetzte. Elektronische Musik, wie auf „Low“ (1977) ausprobiert, stand Bowie aber auch noch nicht zur Verfügung.

„Wham, bam thank you, ma’m!“. Der Legende nach hat George Michael sich bei der Bandgründung von Wham! Auf Bowies Songzeile aus „Suffragette City“ berufen. Bowie selbst entnahm sie aber Burgess’ Buch „Uhrwerk Orange“.  Bowie verstand Kunst stets als geschickte Collage aus längst Bestehendem. Und das konnte er immer am besten, seine Quellen eben nicht überbetonen. Hier war er es ein weiteres Mal: ein Dekorateur, nicht ein Entdecker.

„The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars – 40th Anniversary Edition“ enthält keine Extras (die Vinyl-Fassung immerhin einige Outtakes), ist aber als Remaster erschienen. Es gibt drei Personen, die den Klangunterschied zur nicht-remasterten Fassung heraushören können: Dracula, Seal und Michael Bay.

Wir verlosen „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ auf CD. Einfach mailen und Name, Adresse und Telefonnummer angeben.

Lesen Sie hier ein Fundstück aus unserem Archiv – ein Artikel über Bowie / Ziggy aus dem Jahr 1973.