Der neueste Kino-Streich der verschroben-genialen Brüder Ethan und Joel Coen: ‚Fargo‘


Man hat sie mit Clever & Smart und mit Beavis & Butt-Head verglichen. Sie wurden als „die Prinzen des Perversen“ und auch schon mal als Brüder von einem anderen Planeten bezeichnet. Und so mancher Interviewer verzweifelte an Joel und Ethan Coen, die stets wie ein Mann reden und sich nie auch nur ein bißchen in die kreativen Karten blicken lassen. Was wurden sie nicht schon analysiert, die bisher sechs Arbeiten dieses eingespielten, beinahe verschworenen Teams. Ganze Bücher, Filmmagazine und Internet-Sites quellen über mit Coen-Interna da wird dann exzessiv über die kleinen, feinen Hintergründigkeiten in ‚Barton Fink‘, ‚Miller’s Crossing‘ oder ‚Hudsucker Proxy‘ diskutiert. Alles feiner Spezialisten-Stoff- und doch nur Fachidioten-Spielerei. Denn letztlich ist es ganz einfach mit den Brüdern Joel und Ethan Coen: Sie sind die lässigsten und selbstbewußtesten Filmemacher des amerikanischen Kinos. Jüngstes Beispiel: Die bitterböse Gangster-Posse ‚Fargo‘ (Deutscher Kino-Start: 14.11.). Ein Kidnapping-Plot, auf dem rasierklingenscharfen Grat zwischen Clownerei und Hardcore-Thriller angesiedelt und mit minimalistischer Präzision erzählt. Zur Story: Ein bedauernswert dusseliger Autoverkäufer heuert zwei psychisch höchst instabile Iow-lifes (Steve Buscemi und Peter Stormare) an. Die sollen für ihn seine Frau entführen und so Geld vom despotischen Schwiegervater erpressen. Doch so ziemlich alles geht schief: Bald türmen sich die Leichen im verschneit-verschnarchten Kuhkaff Fargo, und eher zufällig klärt eine schwangere Polizistin (Frances McDormand, Gattin von Joel Coen, den sie bei den Dreharbeiten zum Coen-Erstling ‚Blood Simple‘ kennenlernte) den Fall auf. ‚Fargo‘, eine simple Geschichte aus dem Coen-Universum – bevölkert von Ureinwohnern des mittleren Westens, die auf den ersten Blick etwas langsam zwischen den Ohren erscheinen mögen, aber doch zu Verblüffendem fähig sind – bestes Beispiel für letzteres sind die Coens selbst. Sind sie doch selbst im ländlichen Minnesota, dem Schauplatz von ‚Fargo‘, geboren und aufgewachsen. Eine Ländlichkeit, die die Brüder aber bald hinter sich ließen: jeder von ihnen absolvierte ein Studium, Joel, der Ältere der beiden, stieg früh ins Filmgeschäft ein: als Drehbuchautor und Schnittassistent in Low-Budget-Produktionen sammelte er erste Erfahrungen, ehe er sich 1984 mit Bruder Ethan zusammentat. Gefeiertes Debüt der Bruderschaft: der tiefschwarze Thriller ‚Blood Simple‘. Der Rest ist (Film-)6eschichte: ‚Arizona Junior‘, ‚Barton Fink‘, ‚Miller’s Crossing‘ – die Begeisterung der Kritiker wuchs wie die ergebene Kult-Fangemeinde der verschrobenen Brüder. Wenn in ‚Fargo‘ Steve Buscemi als ausgetickter Killer den ganzen Film über nur als „kinda funny lookin'“ beschrieben wird oder ein Toter ungerührt in einem Häcksler verhackstückt wird, dann sind das groteske Momente, wie sie nur unter der knochentrockenen Regie der Coens völlig normal wirken können. Das ist ihre Stärke, darauf gründen sie ihr Regiment als Könige des Independent-Films: Daß sie simpel gestrickte Gestalten in maßlos vertrackte Komplikationen verwickeln um ihnen dann amüsiert beim Strampeln zuzuschauen.

Daß die Coens noch keine veritablen Popstars sind, liegt nur daran, daß sie – anders als Geistesverwandte wie Spike Lee, Jim Jarmusch oder Quentin Tarantino – den Medienrummel scheuen und nie selbst vor die Kamera treten. Dabei hätten der langhaarige Studenten-Prototyp Joel und sein kleiner Bruder Ethan genug Schalk und Eloquenz parat, um auch auf der Leinwand zu glänzen. Doch die Lust an der Selbstdarstellung geht diesen Autoren, Regisseuren und Produzenten in Doppel-Personalunion völlig ab. Statt dessen entdecken sie für uns die Talente von Leuten wie Nicolas Cage, John Turturro und Steve Buscemi. Und wenn diese später vom Mainstream-Kino vereinnahmt werden, rührt das die Coens wenig. Solange sie weiter brilliantspinnerte Filme für wenig Geld drehen können, die von den Coenheads der Welt mit Wonne studiert werden. Willkommen im Club?!