Der Triumph des gefährlichen Halbwissens


Weil jeder jeden kontrolliert, entwickelte sich Wikipedia zu einer Macht. Nun liegt es an uns, auch Indiepedia zum Erfolg zu führen.

Douglas Adams, Autorvon „Per Anhalter durch die Galaxis“, hatte eine Vision. Auf einer Wiese bei Innsbruck soll er in einer Nacht im Jahr 1971 nicht ganz nüchtern Überlegungen angestellt haben, wie man sich in den unendlichen Weiten der Milchstraße zurechtfinden könnte. Man benötigte das war seine Eingebung an jenem Abend – einen Guide, in dem Informationen über jeden Ort, jedes Ding, jedes Wesen und Ereignis zu finden sind, die einem in den Sinn kommen könnten.

Als sich 20 Jahre später das Internet etablierte, wurde seine Idee plötzlich wieder aktuell: Jeder Mensch mit einem Computer, so präzisierten Adams und seine Fans den ursprünglichen Gedanken, sollte sein Wissen einigen Intellektuellen zur Verfügung stellen, die dann, nach sorgfältiger Überprüfung der Eingänge – quasi als Redakteure des Online-Guidebooks -, eine kostenlose und allumfassende Bibliothek des Weltwissens aufbauen würden. Douglas Adams‘ irdische Fassung von „The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy“, die 1999 ins Leben gerufen wurde, war so innovativ, daß sie im Februar 2001 von der BBC übernommen wurde. Tatsächlich erfreute sich der Guide „H2G2“, der bis zum heutigen Tag von einigen treuen Usern unter www.bbc.co.uk/dna/h2g2 erweitertwird, anfangs großer Beliebtheit. Inzwischen allerdings ist er nicht mehr als eine unterhaltsame Kuriosität, was in dem Siegeszug von Wikipedia begründet ist, das im Janaur 2001 mit einem ähnlichen, aber noch radikaleren Konzept startete.

Was Wikipedia (www. wikipedia.com und .de) zur brillantesten, revolutionärsten Erfindung seit der E-Mail macht, ist die Absenz einer zentralen Kontrollinstanz. Zwar ist das Konzept, jedem Menschen mit Internetzugang zu erlauben, Artikel zu ändern und neue zu erstellen, nicht unumstritten, doch zeigt sich immer deutlicher, welch unglaubliches Potential in einer so geführten Datenbank steckt. Die enorm populären Seiten – seit März 2005 hat wikipedia.com zum Beispiel deutlich mehr Zugriffe als die Website der New York Times (www.nytimes.com) – wachsen Tag für Tag und haben sich längst auch im Bereich der Rock- und Popmusik zu einem vergleichsweise zuverlässigen Nachschlagewerk entwickelt.

Selbstverständlich ist Wikipedia nicht fehlerfrei: Um die Zuverlässigkeit des Bürgerlexikons auf die Probe zu stellen, überprüften Wissenschaftler von Nature.com kürzlich 42 Artikel – 42? 42! Douglas Adams hätte sich gefreut- und fanden darin 162 „faktische Fehler, Auslassungen oder irreführende Statements“. Kein schlechtes Ergebnis, wenn man in Betracht zieht, daß in ebensovielen Einträgen der renommierten Encyclopaedia Britannica 123 solcher Fehler entdeckt wurden. Vermutlich werden Millionen von Amateuren und Experten auf lange Sicht eine präzisere Datenbank erstellen als ein bezahlter Staab von Recherche-Spezialisten. Was uns hoffen läßt, daß sich die neue, charmante Schwester-Seite www.indiepedia.de zur Bibel der Independent-Musikszene entwickeln wird. Die Seite steht noch am Anfang, doch sollte es mit vereinten Kräften möglich sein, daraus ein Nachschlagewerk zu machen, in dem in Anlehnung an Douglas Adams‘ trunkene Vision -Informationen über jede Band, jeden Song, jede Konzerthalle und jedes Instrument zu finden ist, die einem in den Sinn kommen könnten. Packen wir’s an!