Jahresrückblick

Die 50 besten Platten des Jahres 2017


Wir haben abgestimmt und die einzig wahre Liste erstellt: Das sind die 50 Favoriten der ME-Redaktion und somit die besten Alben des Jahres 2017. Ha!

Platz 39: Ryuichi Sakamoto – ASYNC

Milan/Warner (VÖ: 28.4.)

Das unerwartete Meisterwerk aus der Grauzone zwischen U- und E-Musik kam vom japanischen Altmeister Ryuichi Sakamoto. ASYNC ist das erste Soloalbum des 65-jährigen Musikers seit fünf Jahren, das erste seit seiner überstandenen Krebserkrankung. Es ist ein Ambient-Album im weiteren und engeren Sinn, ist Melodie und Atonalität, Elektronik und Akustik, Pop und Avantgarde, Minimalismus und Opulenz, Melancholie und Freude. Mit einem manchmal sakral anmutenden Ernst reflektiert und feiert Sakamoto gleichermaßen seine Rückkehr ins Leben. Albert Koch

Platz 38: Mount Kimbie – LOVE WHAT SURVIVES

Warp/Rough Trade (VÖ: 8.9.)

Seit dem Debüt CROOKS & LOVERS versucht das britische Produzenten-Duo, sich das „Post-Dubstep“-Label von der Windschutzscheibe zu kratzen, um freie Sicht auf ihr Genre zu haben: Album Nummer drei ist der Versuch, Electronica so weit für Sounds, Stimmen und Ideen zu öffnen, dass sie zeitlos klingt. Mit Analog-Instrumentierung, Kraut­rock-Drums, Indie-Gitarren und tollen Gastsängern (King Krule! James Blake!) gelingt das (fast) Unmögliche: elektronische Tanz- (oder besser Jam-)Musik, die sich frisch und warm und grasgrün und klebrig und lebendig anfühlt. Annett Scheffel

Platz 37: Sheer Mag – NEED TO FEEL YOUR LOVE

Static Shock/Cargo (VÖ: 14.7.)

Diese Band wurde dermaßen heiß gehandelt, dass bereits zur Veröffentlichung ihres Albumdebüts ein Backlash fällig war. Weil, klar, die drei EPs waren krasserehrlichergeiler und NEED TO FEEL … schon einfach auch ein wenig zu clean und ambitioniert, ne? Stimmt, auf der Platte versucht der unbeugsame Fünfer aus  Philadelphia seinen Stil weiterzuentwickeln, lässt die Leadgitarre noch kapriziöser singen, kriegt den Funk, feiert Riff-Feste, als würden Thin Lizzy und Fleetwood Mac Orgien der Liebe feiern. Und wie Tina Halladay hier ihr Herz der reaktionären Welt vor den Latz knallt … das röhrte doch schon mal doller, ne? Oliver Götz

Platz 36: Four Tet – NEW ENERGY

Text/WordAndSound (VÖ: 13.10.)

Im Verlauf seiner fast 20-jährigen Produzententätigkeit hat sich Kieran Hebden aka Four Tet vom Folktroniker zum Clubmusiker entwickelt und sich immer wieder unerwartete Sprünge in exotische Nebenfelder erlaubt. NEW ENERGY, das neunte Album von Four Tet, ist eine Art Bestandsaufnahme und Zurschaustellung, aber auch dezente Fortführung seiner diversen Soundästhetiken. Tracks zwischen Club und Ambient, Dancefloor-Craze und Downtempo. Vor allem bei Letzterem kommt sein frühes Meisterwerk ROUNDS aus dem Jahr 2003 in den Sinn. Albert Koch

Platz 35: Der Nino Aus Wien – WACH

Seayou/Rough Trade (VÖ: 7.4.)

„Ich schreibe schon seit hundert Jahren Lieder, um ans Meer zu fahren“, singt Nino Mandl im dieses Album abschließenden „Sunshine Blues“. Dazu bläst die Harp, und eventuelle Behauptungen, Mandl sei „der österreichische Bob Dylan“ stimmen ein, zwei Minuten lang, aber eigentlich gilt: Irgendwelche Vergleiche benötigt dieses Album nicht, es ist eine gar nicht mehr so karg gestaltete Songwriter-Platte, die völlig in sich ruht und zwischen Nabel- (ein bisschen) und Ausschau (meistens) pendelt. Musik, in der es sich gut wohnen lässt. ­ Jochen Overbeck

Platz 34: Trettmann – #DIY

Soulforce/Rough Trade (VÖ: 29.9.)

Was für eine Geschichte: nach 20 Jahren Musikmachen plötzlich die Konsens-Platte des Jahres, vom Abgeschriebenen zum liebsten Trap-Troubadour nicht nur deiner Lieblingsrapper. Mit 44 Jahren. Mit einem völlig eigenständigen Sound. Mit ausschließlich der eigenen Crew. Und vor allem mit nur zehn Songs, die genau so sein mussten. Weil diese Geschichten so noch nie erzählt wurden und weil HipHop (im weitesten Sinne) immer schon ein Herz für Außenseiter hatte – von der Bronx bis nach Chemnitz. Davide Bortot

Platz 33: Alvvays – ANTISOCIALITIES

Transgressive/PIAS Coop/Rough Trade (VÖ: 8.9.)

Auch auf ihrem zweiten Album schöpfen Molly Rankin und ihre Kollegen aus 50 Jahren amerikanischer Popgeschichte, verknüpfen den Girlband-Sound der 60er-Jahre mit einer guten Portion Power Pop der Weezer-bis-Superchunk-Schule und hübsch verzerrten Shoegaze-Gitarren. Neu ist das nicht, aber selten wurde es mit so einem guten Händchen umgesetzt wie bei den Kanadiern – dass sie mit „Plimsoll Punks“ endlich dem wohl meistverbreiteten Schuh der Frühnuller-Indie-Kids ein musikalisches Denkmal gesetzt haben, ist mindestens eine nette Randnotiz. Jochen Overbeck

Platz 32: Future Islands – THE FAR FIELD

4AD/Beggars/Indigo (VÖ: 7.4.)

Man sieht Menschen ungern leiden, und das ist auch gut so. Denn das dadurch erzeugte Unwohlsein kann zu Mitleid führen, das wiederum – im besten Fall – dazu führt, dass man jemandem helfen mag. Sam Herring, Frontmann von Future Islands aus Baltimore, leidet auch. Ständig. Aber ihm mag man ganz und gar nicht helfen, nein, man liebt es, ihm beim Leiden zuzusehen. Dieser Mann trägt sein Herz auf der Zunge, macht seine Gefühle durch sein dramatisches Auftreten für alle sichtbar. Schaut her, ich fühle! Auch auf dem fünften Album der Synthie-Popper. Jördis Hagemeier

Platz 31: Björk – UTOPIA

björk
björk utopia

Embassy Of Music/Warner (VÖ: 24.11.)

UTOPIA ist die björkigste Platte, die Björk je gemacht hat. Weit schwebt sie über den anderen Pop-Erdenbürgern. Hier oben verknotet sie Futurismus und Romantik, Intellekt und große Gefühle so eng wie nie zuvor. Björks Utopie – ihr Manifest in Trump-Zeiten – ist so einfach wie kompliziert: die Wiederentdeckung der Liebe. Daten, Küssen, Suchen, Lieben, Weitermachen – davon handeln ihre Kunst-Balladen, die sie mit einer Kakophonie aus Streichern, Flöten, Tiergeräuschen und fremdartiger Düster-Elektronik in kosmische Bewegung versetzt. Annett Scheffel

Platz 30: Bicep – BICEP

Ninja Tune/Rough Trade (VÖ: 1.9.)

Das ballert ganz ordentlich! Ungewöhnlich kühl und rigoros klingt das Debüt des DJ-Duos Bicep aus Großbritannien, wenn man bedenkt, dass die beiden eigentlich kleine Vocal-House-Fans sind. Wärme und Soulness kommen hier zwar überraschend kurz, das macht aber nichts, im Club muss man schließlich nicht immer die Heizung aufdrehen. Wenn man so will, zeigen Bicep ihrer langjährigen Fanbase nur mal kurz den Mittelfinger, meinen das aber gar nicht böse. Die wollen nur spielen! Und beweisen, dass sie so viel mehr können, als man von ihnen verlangt. Jördis Hagemeier

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4AD/Beggars/Indigo