Energie für alle


Seit 16 Jahren bürgt der Vertrieb EFA für interessante Musik aus dem Untergrund. ME/Sounds lädt ein zu einem spannenden Streifzug durch das reichhaltige Repertoire.

Kaum zu glauben aber wahr: Es gab einmal eine Zeit ohne „Alternative“ und „Underground“. Und das war nicht damals, als die Cowboys noch auf Dinosauriern ritten, sondern ist gerade mal zwanzig Jahre her. Es war Punk, die große musikalisch-kulturelle Revolution dieses Jahrunderts, die den Beginn der Independent-Kultur, wie wir sie kennen, markierte. 1976/77 war es, als die englische Jugend gegen jegliche Form von Establishment rebellierte und ohne jedwedes Können zu Mikros und Gitarren griff. Mit der üblichen ein- bis zweijährigen Verzögerung fand dieser Schrei nach Leben schließlich auch in Deutschland seinen Widerhall. Und wie auf der Insel, so stellte man auch hierzulande fest, daß sich das musikalische Do-It-Yourself-Prinzip auf keinen Fall mit den etabliert-verkrusteten Strukturen verträgt, ob sie nun Label oder Vertrieb hießen. Doch ein kleines Label ins Leben zu rufen, stellte sich als weitaus einfacher heraus, als die Platten auch über den eigenen Bekanntenkreis hinaus unters Volk zu bringen. So wurde 1980 ein erster Vertriebsverbund initiiert, aus dem im März 82 schließlich Energie Für Alle, eben EFA erwuchs. An der Gründung beteiligt waren damals der Trikont-Verlag, das Ton Steine Scherben-Label David Volksmund und No Fun (Hans-A-Plast). Und die Firma wuchs schnell, denn von überall her kamen kreative Zellen, die dieser Dienstleitung bedurften, an vorderster Stelle das Hamburger Label Zickzack (Einstürzende Neubauten, FSK, Abwärts, Palais Schaumburg, X-Mal Deutschland) und die Düsseldorfer Atatak (DAF, Der Plan). Ein zweites, finanziell mindestens gleichbedeutendes Standbein waren Importe aus England, woher neben Polit-Punk à la Crass über Labels wie Mute und Factory alle großen Namen des 80er-Wave kamen: Joy Division, Gun Club, The Fall und viele andere. In dem Maße, in dem zur gleichen Zeit auch in den USA eine durch Punk und Hardcore initiierte Independent-Kultur entstand, kamen schließlich auch von dort Künstler in den monatlich anwachsenden Pool. Allen voran die Dead Kennedys und Fugazi mit ihren bandeigenen Labels Alternative Tentacles und Dischord, die langsam erblühende Chicagoer Szene um die Firma Touch & Go sowie Vertreter des Kult-Labels SST (u.a. Black Flag). Und dann explodierte Anfang der 90er via Seattle der Undergound und damit auch die EFA. Denn zu dieser Zeit vertrieb man das tonangebende Label SubPop mit den kommenden Alternative-Rock-Stars Mudhoney, Soundgarden und Afghan Whigs. Diese Zeit des Aufbruchs und der Vergrößerung in vielerlei Richtung zeigte aber auch die Grenzen der Firma und führte letztlich zu einem Split – drei Gesellschafter stiegen aus und gründeten den neuen Vertrieb Indigo. Die zunächst schmerzvolle Trennung erwies sich im Nachhinein für die EFA als Glücksfall. Leergewordene Regalflächen wurden schnell wieder aufgefüllt, indem man mit verstärktem Fokus auf die Dance-Szene dem bald einsetzenden Niedergang des Gitarrenunderground entgegensteuerte. Im Hause EFA wurde schon früh das Potential von Genres wie House und Techno erkannt, und heute kann das EFA-Dance-Department „e-motion“ ohne Frage den renommiertesten Stamm deutscher wie internationaler Labels aufweisen – Moving Shadow, On-U-Sound,Tresor, Force Inc/Mille Plateaux, Word Sound, Sub Rosa, Cup Of Tea-alles Namen, die Kennern der Szene auf der Zunge zergehen. Mittlerweile hat die Firma mit Vertrieb und Lager in Hamburg, Promotionstelle in Berlin und einem Office in Frankfurt, wo die EFA-eigenen Label Escapade (Bill Evans, Joe Zawinul) und Clearspot (Umajets, Confusions) verwaltet werden, knapp 80 Angestellte. Mit dem vielbeschworenen „Indie-Spirit“, der Idee von inhaltlich-ethischen Maximalforderungen und politischer Motivation, ist natürlich in den 90ern keine Firma dieser Größenordnung mehr überlebensfähig. Die alten Grabenkämpfe zwischen Major und Indie gibt es nicht mehr. „Ohne Majorlabel keine Musikbusiness“, weiß auch EFA-Chefdisponent Uwe Adelfang. Aber wo die interessante Musik ist, weiß er – gemäß dem Firmenwahlspruch „Life is too short for boring music“-auch.