Fall Out Boy


Das erste Mai. Knapp 3.000 Teenager feiern moderne Rock-Folklore. Der alte Vatter Punk sollte lieber wegsehen.

Die Straße vor dem Palladium ist heute längst nicht so zugeparkt wie sonst. Das hat einen einfachen Grund: Viele Fall-Out-Boy-Konzertbesucher haben noch keinen Führerschein. Und damit wären wir auch schon bei einer simplen Erklärung für vieles, was sich an diesem verregneten Dienstagabend hier abspielt: Es ist für etliche dieser jungen Menschen das erste Mal. Nicht das erste Mal, dass sie eine Band sehen. Aber das erste Mal, dass sie sich so richtig zu so etwas zugehörig fühlen, was man altertümlich als „Jugendbewegung“ bezeichnen könnte, um mit den freundlichen älteren Herren von Tocotronic zu sprechen. Eine Bewegung namens Emo. Drinnen in der Halle spielen bereits um 19 Uhr die Quatschköpfe von The Academy Is…, einer Band, deren Poprock so eloquent erscheint, dass man im Falle einer irgendwo reinzuschraubenden Birne dringend weitere Schraubwillige hinzubitten müsste. Dann kommen Fall Out Boy, und der Saal dreht durch. Fall Out Boy sind eine seltsame Band: Sie singen Texte, in denen es recht häufig darum geht, dass sie sich auf gar keinen Fall, niemals, niemals, niemals ausverkaufen wollen. Die dazugehörige Musik hingegen ist der totale Emo-Ramsch: die hohle Hülle Hardcore, vollgeblasen mit Arena-Melodien und produziert wie eine Blaupause für öden MTV-Rock. „Punk, du liebenswerter alter Greis, guck da besser nicht hin“, möchte man seinem tätowierten Stehnachbarn zuraunen und ihm die Augen zuhalten. Doch dem Publikum gefällt’s. Die meisten sehen aus wie wandelnde Amerikanismen und tragen Kappen und Fall-Out-Boy-T-Shirts; nur ein etwa dreizehnjähriges Mädchen trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Denk nicht mal dran“.

Fall Out Boy selbst wirken wie hochgerüsteter, ultra-routinierter US-Rock auf Rädern: Bassist, Texter und Band-Star Pete Wentz, ein kleiner kuscheliger Kajalund Seitenscheitel-Bursche, springt auswendig gelernt umher, kommt ab und zu für stumpfe Ansagen und „Screamo“-Einsprengsel ans Mikro und sorgt für Resterampen-Kommunikation. Sänger Patrick Stump hingegen, ein rockistischer Fettnapf, scheint sich mit seinem Van-Halen-Gesang und den tänzelnden Bewegung eher in einerAchtziger-Jahre-Arenaband zu wähnen. Gemeinsam verwalten sie derart abgebrüht jenes in Folklore erstarrte Ding namens Emo, dass man sich wehmütig den theatralischen Pomp von My Chemical Romance herbeisehnt, der zuletzt doch noch viel zu überkandidelt gewirkt hatte. Draußen vor der Halle warten derweil die Eltern in den Autosauf ihre Kinder. Für viele mag es das erste Mal hier gewesen sein, und der Jugend sollte man freilich nie einen Vorwurf machen – aber für den nassen Sack Emo geht es langsam in die allerletzte Runde. www.falloutboyrock.com