Interview

GReeeN im Interview: „Ich mache auch nüchtern Musik“


GReeeN, auch bekannt als Grinch Hill, rappt mit und über Cannabis. Welche politische Agenda dahinter steckt, was für Probleme der Konsum mit sich bringt und was das für den Jugendschutz bedeutet, darüber kamen wir mit ihn ins Gespräch.

Fast hätte GReeeN unser Interview vergessen, er schrieb gerade an neuer Musik. Recht spontan ist er dann doch noch bereit, uns in seine Welt mitzunehmen. Über Battle-Rap versuchte GReeeN, der bis 2015 noch häufig unter dem Pseudonym Grinch Hill auftrat und eigentlich Pasquale Valentin heißt, einen Fuß in die Tür der Musikbranche zu kriegen. Seit seinem ersten Album ALLES GRÜN (2013) hat sich bei ihm vor allem stimmlich vieles getan. Seine Musik bezeichnet er selbst als Rappae, mit dem Begriff schuf er ein ganzes Genre. Neben umweltpolitischen und sozialkritischen Themen ist der Dreh- und Angelpunkt seiner Texte das Cannabis. Seit der amerikanischen Prohibition in den 1920er-Jahren ist Cannabis auch in Deutschland verboten. Im Interview spricht der 31-jährige GReeeN über die Kriminalisierung von Cannabisliebhaber*innen, ein Feature mit Alligatoah und die eigene politische Agenda.

Musikexpress.de: Deinen Fans bist Du als rappender Kiffer bekannt, im neuen Musikvideo zum Song „High Dude“ (2020) isst du jedoch Brokkoli, anstatt einen Joint zu rauchen – Zweideutigkeit oder eine Spitze gegen die CDU?

GReeeN: Vor zwei Jahren fing ich an, Cannabis in meinen Videos als Brokkoli dazustellen. Zuvor hatte ich die Droge offensichtlich vor die Kamera gehalten und so wurden meine Videos bei YouTube auf FSK 18 gestellt. Diese Reaktion finde ich richtig, jedoch nicht gerechtfertigt, wenn andere weiter unzensiert übers Saufen singen dürfen. Ich wand einen Trick an, der den Politiker*innen der CDU wohl vor die Füße gefallen ist. Erst vor Kurzem erfuhr ich, dass die Bundesregierung eine Kampagne mit dem Slogan „Cannabis ist kein Brokkoli“ gestartet hatte. Mit dem Brokkoli in „High Dude“ antworte ich diesmal bewusst auf diese Kampagne – rein aus Provokation.

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Capital Bra machte zuletzt mit seiner Verherrlichung des Schmerzmedikaments Tilidin Schlagzeilen. Hast Du Bedenken, dass vor allem Jugendliche wegen GReeeN auf die schiefe Bahn geraten?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich bin mir dessen nicht bewusst, dass ich für viele ein Idol bin und sie Dinge mir gleich tun würden, um mir ein Stück näher zu sein. Natürlich ist es ein schmaler Grad. Bis 2016 habe ich kein einziges Mal über Cannabis gesungen. Aber mit den Jahren wurde mir klar, dass ich nicht nur Musik für Jugendliche mache, sondern auch Millionen von erwachsenen Menschen erreiche. Jene werden wegen ihrem Konsum als Kriminelle verfolgt, bestraft und letztlich noch stigmatisiert. Und andere dürfen freudig weiter saufen. Diese Ungerechtigkeit überwog so stark, dass ich für mich entschied, zum Sprachrohr zu werden. Ich kann meine Meinung nicht einfach aus meiner Musik heraushalten, weil ich Angst um ein, zwei Jugendliche habe. Dass sie Cannabis konsumieren, kann ich nicht verhindern, aber ich möchte diesbezüglich Aufklärung betreiben und das Tabuthema brechen. Der Fakt, dass Cannabis illegal ist, nimmt den Jugendlichen die Möglichkeit, offen mit ihren Eltern über die Droge zu sprechen, denn sie werden durch den Konsum als Verbrecher degradiert. Ich bin für Aufklärung statt für Bestrafung.

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„Cannabis ist ein Werkzeug für meine Kunst, nicht dessen Ursprung!“

Du hast selbst sehr früh angefangen, Cannabis zu konsumieren. Was würdest Du Deinen Kindern sagen, wenn Du sie mit 14 beim Rauchen des ersten Joints erwischt?

Ich wäre überhaupt nicht wütend, denn das bringt nichts. Ich würde meinen Sohn aufklären und ihn über die Gefahren hinweisen. Weder Gras noch Alkohol oder sonst irgendeine berauschende Substanz ist gut für die Entwicklung. Wenn dann würde ich ihm anbieten, das Kiffen gern mal mit mir auszuprobieren, aber vielleicht erst, wenn er älter ist. Ich würde ihm in jedem Fall davon abraten. Er hätte noch genug Zeit, sein Leben lang zu kiffen. Verbieten würde ich es meinem Sohn aber nicht.

In „Keine Zeit“ (2019) und „Ab&An“ (2020) rappt GReeeN über persönliche Tiefpunkte ausgelöst durch den Konsum von Cannabis. Hast Du beim Konsum jemals, bildlich gesprochen, Lebenszeit verraucht?

Durch den Konsum habe ich schon viel Zeit verschwendet. An solchen Tagen ist das Leben einfach an mir vorbeigerauscht, weil ich Cannabis nicht ab und zu als Rauschmittel konsumiert habe, sondern in meinen Alltag habe einfließen lassen. Wenn ich Musik mache, kiffe ich sehr gern und igele mich dann auch ein. Eine Zeitlang habe ich dann täglich gekifft. Noch heute ist es mir wichtig, mir die Songs nun einmal auch aus einer anderen Perspektive reinzuziehen. Trotzdem mache ich natürlich auch nüchtern Musik. Denn Cannabis ist ein Werkzeug für meine Kunst, nicht dessen Ursprung!

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„In der großen Masse entsteht demnach ein falsches Bild von mir.“

GReeeN nimmt seine Fans mit seinem 4. Studioalbum mit auf die Reise ins „Highland“ – sein persönlicher Wohlfühl-Ort, wo er mit der Natur eins ist.

Im Song „Bruchteil“ (2019) setzt Du Dich mit Fans auseinander, die meinen, dass es in deinen Songs nur noch ums Kiffen ginge. Wie nahe ging Dir das Ganze?

Ich weiß, dass diese Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen. Ich habe nie auf einmal nur noch Kiffer-Songs produziert, das ist ein Trugschluss. Die Tracks, in denen ich vom Kiffen rappe, sind einfach nur die erfolgreichsten geworden, die millionenfach geklickt wurden. In der großen Masse entsteht demnach ein falsches Bild von mir. Mit diesem Problem, abgestempelt zu werden, haben so viele Menschen zu kämpfen. Andere kennen dich fünf Minuten lang, bilden sich aufgrund von Gerüchten eine Meinung und denken, das ist die absolute Wahrheit. Schaut doch mal über den Tellerrand.

„Geschichte schreiben“, davon singst Du im Song „Credo“ (2019). Ist das nicht etwas größenwahnsinnig?

(lacht) Man kann es auf jeden Fall als größenwahnsinnig verstehen. Aber wo liegen da die Grenzen? Ich habe mir einen Beruf ausgesucht, bei dem die meisten Menschen sagen würden, da kannst du auch gleich Lotto spielen, um das zu erreichen. Die Chance zu dem einen Prozent an Musikern zu gehören, die von ihrer Musik leben können, ist so sehr gering. Doch ich habe schon immer daran geglaubt, dass der menschliche Geist zu allem fähig ist. Ich habe mich bewusst dazu entscheiden, Musiker zu werden, auch um den Leuten zu beweisen, dass es möglich ist. Für mich hat Größenwahn nichts damit zu tun, dass ich meine Zeile sehr hochstecke. Die Menschen machen die Dinge erst unmöglich, weil sie sie für so unwahrscheinlich halten und sich davon abschrecken lassen.

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„Ich will kein Halbwissen verbreiten.“

Mit „Klopapier“ (2020) hat GReeeN sich das erste Mal zu aktuellen politischen Ereignissen geäußert. Was motivierte Dich dazu, einen Corona-Song zu schreiben?

Ich fand die Hamstereinkäufe während des Lockdowns im April so lächerlich. Da geht die Welt unter und der Menschheit fällt nichts Besseres ein, als Tonnen an Klopapier einzukaufen! Aber auch die Führungspositionen dieses Landes sind mit dem Corona-Virus total überfordert. Ich habe immer mal wieder ein paar Songs geschrieben, die gesamt politische Themen in den Fokus rücken, aber auf den ersten Blick nicht ganz so aktuell wirken, wie zum Beispiel über den Klimawandel. Ich würde mich gern häufiger auch zu solchen Themen positionieren, will aber kein Halbwissen verbreiten. Wenn ich das Wissen dank Büchern angehäuft habe, lege ich richtig los mit meiner musikalischen Gesellschaftskritik.

Wie stellst Du Dir das vor?

Ich muss das Wissen in eine musikalische Form gießen. Musik kann Botschaften vermitteln, mit Musik kann man viel bewegen. Ich möchte darüber hinaus aber auch als Aktivist tätig werden. Ich will mich mit verschiedenen Bewegungen an einen Tisch setzen und darüber debattieren, wie klimapolitische Ziele auch wirtschaftlich umgesetzt werden können.

„Es ist nur eine Frage der Zeit.“

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Wenn Du an Deine Zukunft denkst, wie viel Grinch Hill steckt da noch in Dir?

Battle-Rap-Contests gibt es zurzeit keine, die Grinch Hill interessieren. Wenn dann veranstaltet er seinen eigenen. Aber ich will mit Grinch Hill bald wieder Musik machen – und dann wird es schwarz, dunkel und düster. Vielleicht wird Grinch Hill auch auf brachiale Art und Weise politische Songs schreiben.

Nach den drei Konzerten mit Alligatoah diesen Sommer, wie hoch stehen Chancen für ein Feature?

Ich weiß es nicht, weil ich ihn nicht gefragt habe. Ich bin ein riesiger Fan seines Gesangstalents und er feiert meine Musik, doch darüber hinaus verstehen wir uns privat auch sehr gut. Als ich ihn in Köln kennenlernte, waren wir uns sofort sympathisch. Ich denke, diese Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit. Ich würde ihn gern mal wieder auf einen Kaffee sehen, doch Corona macht uns das Treffen gerade unmöglich. Was aus unserer Harmonie dann wird, liegt nicht in meiner Hand. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, es ist nur eine Frage der Zeit.

Das jüngstes Album von GReeeN heißt HIGHLAND und erschien am 28. August 2020. 

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