Im Bergwerk der Popgeschichte


Auch auf ihrem neuen Album Fate schürfen Dr. Dog wieder in den Tiefenschichten des Pop. Die scheinen in ihre Gene eingebettet zu sein-angeblich hören die fünf „zu 99 Prozent Zeitgenössisches".

Dr. Dog, Dr. Dog, alle lieben Dr. Dog-und zu Recht. Aber eine Zwischenfrage muss erlaubt sein: Braucht jemand, der all die schönen alten Platten von The Band, den Beatles, Crosby, StilIs, Nash &. Young und Smokey Robinson schon hat, das fünfte Dr-Dog-Album fate wirklich?

Scott McMicken, der sich bei der Band aus Philadelphia das Lieder schreiben und Singen mit Toby Leaman teilt, meldet sich wie verabredet zur mitternächtlichen Telefonkonversation und kennt die Frage schon aus früheren Gesprächen: „Wir haben die Parameter und den musikalischen Rahmen, in dem sich Dr. Dog bewegen, schon relativ früh abgesteckt, und klar ist da etwas in unseren Stücken, das die Leute denken lässt dass wir in den späten Sechzigern stecken geblieben sind und auch sonst irgendwie hinter dem Mond leben. Aber das ist ganz und gar nicht so.lch würde sagen, 99 Prozent der Musik, die wir privat hören, ist zeitgenössisch. Es gibt ja auch momentan großartige und wichtige Bands im Überfluss. Radiohead, My Morning jacket, joanna Newsom, Cold War Kids, Fleet Foxes – ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Und die Möglichkeiten, neue Musik auf schnellstem Weg übers lnternet kennenzulernen, waren noch nie so groß. Und trotzdem spüre ich immer, wenn ich vor einem Computer sitze, nach spätestens zehn Minuten diese Beklommenheit. Ich drücke auf einen Knopf und habe plötzlich 500 verschiedene Sorten von Hall, die wir allein für die Snare-Drum verwenden konnten. Oh mv God, what a decision!“

Eigentlich müsste nun leise das Beach-Boys-Lied“l Just Wasn’t Made For These Times“ aus dem Off erklingen, doch es sind nur philadelphische Straßengeräusche zu vernehmen, die McMickens sehr präzise, zuweilen weit ausschweifende Ausführungen untermalen. In einem einzigen Relativsatz des Gitarristen sind so viele Ansätze und Ideen versteckt wie etwa im neuen Hunde-Song „My Friend“. Und der Satz, der ein Grundthema der Platte klug zusammenfasst, versteckt sich im staubtrockenen Blues-Stomper „The Beach“: „You know, fate has a funny way of Coming around.“ McMicken erklärt die Wege des Schicksals: „Wir hatten keineswegs geplant, ein Album zum Thema Schicksal zu machen, aber als wir alle Songs-insgesamt zwischen 40 und so – beisammen hatten und sie verglichen, las sich das Ganze wie eine Art Abhandlung über die verschiedenen Manifestationen des Schicksals. Und es gibt so uiele! Schau dir nur das Cover der Platte an: Da taucht dieser Mann mit einer Pistole bei der Frau auf, und plötzlich zieht die ein Gewehr! Man kann eben nie wissen.“

Was auch auf die Wahl des Covermotivs zutrifft: Den im Original über 1,50 Meter breiten Quilt mit dem moritatenhaften „Bonnie&Clyde“-Motiv sah die Band zufällig in einem Cafe in Chicago, fand schnell heraus, dass der Wirt selbst der Schöpfer bzw. Näher war, kaufte ihn und nahm ihn als willkommenes Ideal-Covermotiv mit nach Hause. Die geheime Physik des Zufalls. >»www.drdogmusic.com >»albumkkitik heft 8/08