In der US-Provinz tüftelt DJ Shadow den HipHop-Sound für das Jahr 2000 aus


Die Welt rückt zusammen. Standorte spielen keine Rolle mehr. Musik ist überall erhältlich und kann überall produziert werden. Diese Binsenweisheit gilt natürlich in besonderem Maße für elektronische oder gesampelte Kunst. So kommt es denn, daß die drei herausragenden Erzeuger instrumentalen HipHops nicht brave englische Inselbewohner sind, sondern aus St. Petersburg stammen (DJ Vadim), in Tokio zuhause sind (DJ Krush) oder in einem kleinen Dorf in der Nähe der kalifornischen Hauptstadt Sacramento leben. DJ Shadow, oder Josh Davis, wie es in seinem Paß steht, ist davon überzeugt, daß er der relativen Abgeschiedenheit seiner kalifornischen Heimat viel zu verdanken hat. „Wenn du die britische Presse liest und jeden Abend in die Clubs gehst“, stöhnt er, „heißt es immer nur Konsum, keiner hält mal einen Moment inne.“ Shadow dagegen steht zwei Minuten von seinem Haus entfernt schon mitten im freien Feld. Davon zehrt er und davon lebt seine Musik. Denn er produziert nicht jeden Tag fünf neue Stücke, sondern brauchte ein Jahr für seine erste Platte. ‚Endtroducing…DJ Shadow‘ ist, wie der merkwürdige Name schon sagt, Anfang und Ende. „Es ist eine Einführung für alle Leute, die sich keine Maxis kaufen und beendet wiederum ein Kapitel für Eingeweihte.“ Shadows Sound ist ein unglaublich tiefes, warmes Bad in Beats und Loop5, der weichste und gleichzeitig schwärzeste Funk weit und breit. Davon ausgehend reist Shadow in 65 Minuten einmal um die Welt der Rhythmen und scheut, wenn es die Dramatik erfordert, auch nicht vor Gitarren und Hardcore zurück. Josh Davis produziert keine geschmäcklerische Kunst, er erzählt instrumentale Geschichten. „Bei einem guten HipHop-Stück hast du das Gefühl, daß der Text und die Musik zusammengehören. Aber mittlerweile gibt es fast nur noch identische Klanglandschaften, über die gerappt wird“, klagt er. „Und bei instrumentaler Musik ist das noch schlimmer, da du dort die freien Stellen selbst füllen mußt. Es gibt so viel TripHop, der sich anhört, als wäre er nur eine Instrumentalversion eines Rap-Stücks. Es gelingt kaum jemanden dabei, ein Stück über die gesamte Länge interessant zu halten. Deswegen ist es so wichtig, mit einem Inhalt zu arbeiten.“ Und deshalb ist es eben nicht wichtig, was gerade in London passiert. Zudem hat Shadow seine eigene Geschichte, und das sind 14 Jahre Hip-Hop und eine akribisch aufgebaute Sammlung alter Funk-Platten. „Ich liebe Funk“, sagt der stille Kalifornier und schiebt sich die Baseballkappe hoch, „für mich beginnt die moderne Musik mit James Brown und nicht mit John Coltrane oder dem Blues, wie für die meisten anderen. Aber ich bin nicht konservativ. Ich hoffe, ich werde nie eine Platte machen, die retro klingt, denn das ist nicht gesund für die Musik. „Aber ich gebe zu, meine Funk-Leidenschaft ist eine Flucht vor der Moderne.“ Oder eben das, was seine klingende Welt zusammenhält.