Kassetten-Special

Return To The Planet Of The Tapes: Warum und wo die gute alte MC ihr Revival feiert


Es musste ja so kommen, also zurückkommen. Weil in der alles dominierenden Retromania eben alles wiederkehrt, was dazu imstande ist. Die Kassette ist also wieder da. Echt jetzt. 40 Jahre nach dem ersten Walkman, der am 1. Juli 1979 verkauft wurde. Es ist ein kleines Comeback, zugegeben, aber ein beachtenswertes, da es viel über uns und unsere aktuellen Befindlichkeiten aussagt.

In der deutschen Liste dauert es erst mal neun Plätze, bis Musik kommt: das „Awesome Mixtape Vol. 2“. Davor und sehr oft danach: „Die drei ???“. Auch „Benjamin Blümchen“, „Bibi Blocksberg“ und ihr Spin-off „Bibi & Tina“ sind massiv vertreten in der Jahresendauswertung. Insgesamt wurden 2017 in Deutschland zwar fast so viele MCs verkauft wie in den USA: 125 000 Stück, was sogar einem Rückgang von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

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Von Superaudio-Helden und dem Reiz der KassetteKasette

Nicht nur in hippen Fashionhäusern oder auf der Leinwand erobert sich die Kassette ihren Platz zurück. Auch im Partyleben richtet sich der Scheinwerfer öfter auf sie. „Den meisten Besuchern geht es darum zu sehen, wie ich dastehe und pfriemele“, sagt die Berliner Kassetten-DJane Sandra Heinzelmann (hier zum Interview mit ihr). So erklärt sie den Reiz an ihrer Arbeit: „Man kann eben nicht einfach eine Playlist machen und brennt sie oder schickt sie bei Spotify rüber. Du musst überlegen, was du tust und wie du etwas anordnest. Du sitzt dort, drückst Stopp, spulst noch etwas und machst es noch etwas schöner.“

Klangliche Hürden sind dabei durchaus kein Problem: „Natürlich rauscht es manchmal. Die Übergänge sind nicht immer smooth. Man kann da keinen 1a-Klang erwarten.“ Auch sie macht die Flucht vor der Digitalwelt verantwortlich: „Mittlerweile hat jeder DJ einen Rechner und einen Controller. Aber mit Kassette guckt man nicht auf einen Bildschirm, was die meisten auf der Arbeit sowieso tun. Du beschäftigst dich einfach mit konkreten Dingen. Du musst das Lied kennen und wissen, wann es aufhört, weil du es ja nicht siehst. Das gibt dir einen anderen Fokus.“

Natürlich muss es auch ein paar Superaudio-Helden geben, die den Sound der Kassette bevorzugen. Die angeblich bessere Klangqualität kann zwar als absurd verworfen werden, aber was der auch auf MC veröffentlichende Münchner Musiker Angela Aux sagt, überzeugt: „Der Klang vom Tape hat eine gewisse Heimeligkeit, weil das für viele Menschen Kindheitserinnerungen sind.“ Genau das ist es. Es ist die nostalgisch verklärte Sehnsucht nach einer übersichtlicheren Welt. Deswegen bevölkern Hipster Obst- und Gemüsewochenmärkte, deswegen gibt es „Urban Knitting“, deswegen „feiern“ Kids „Africa“ von Toto.

Die meisten Menschen hören natürlich Musik im Format­radio, shoppen in Malls und schauen „The Big Bang Theory“, statt eine Regenrinne zu umstricken. So bleibt das MC-Comeback auch ein Mikro-Trend, aber einer, der uns einen Spiegel vorhält. Denn dank seiner jahrzehntelangen Exis­tenz als Liebesbeweis in Mixtape-Form fühlt sich eine Kassette immer auch ein wenig wie ein Geschenk an. Natürlich kann man Musik nie in Händen halten. Aber auf Tonträger gebannt, lässt sie sich zumindest beschriften, verzieren – personalisieren. Darin liegt ihre Attraktivität, kurz bevor die Roboter überhandnehmen.

Text: Stephan Rehm-Rozanes | Interviews: Sabine Winkler

Den Text in voller Länge, sowie unser gesamtes, fast 20 Seiten umfassendes, Special zur Kassette erschien erstmalig im Musikexpress 04/2018.

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Ollie Millington Redferns via Getty Images