Kim Frank über Altlasten


Er ist der etwas andere Ex-Teeniestar: Seine Band Echt regierte die Radiowellen, dann tauchten sie ab. Jetzt kehrt der Flensburger solo zurück. Ist er mit seiner Vergangenheit im Reinen?

Dein erstes Soloalbum heublau geht als Comeback durch und wird auch so gesehen. Wie ist es, mit gerade mal 24 zurückzukommen ?

Das Gefühl hab ich ja nicht. Man ist ja immer da. Wenn man’s ganz genau nimmt, bin ich erstmals richtig da.

Naja, geht so. Ich hab das Ende von Echt damals nicht so nah verfolgt. Woran lag’s denn, mal blöd gefragt?

Das ist sehr komplex. Die Trennung ist ja nicht der Beginn einer Phase, sondern das Resultat einer Phase und der Beginn von etwas Neuem. Trennungen sind was sehr Mutiges und was sehr Gefährliches. Es kann falsch sein, es kann richtig sein. Es kann sein, dass man nicht lang genug gekämpft hat, es kann sein, dass man zu lange gekämpft hat, aus Angst vor Neuem…

Die oberflächliche Sicht wäre: Die haben keine Platten mehr verkauft, und dann haben sie sich aufgelöst.

Ja. Wie dumm. Als würde man sich einfach von heute auf morgen auflösen, weil man keine Platten mehr verkauft. Wir waren von Anfang an keine Band, die es unbedingt auf Erfolg abgesehen hatte. Ich finde, das hat man auch eigentlich gemerkt, dass es uns schon um Musik geht. Aber wenn das weiter in der Öffentlichkeit so vereinfacht werden soll: meinetwegen.

Man hörte von „musikalischen Differenzen …

Wir haben’s ja erst nicht rausposaunt. Und irgendwann kam die Presse, dann mussten wir was sagen. Und wie komplex ist es, ein zwischenmenschliches Konstrukt von fünf Menschen zu erklären? Natürlich waren auch musikalische Differenzen da. Die gab’s aber vorher auch schon, da hat man einen gemeinsamen Nenner gefunden. Es fehlte tatsächlich an der gemeinsamen Lebensgrundlage. Jeder wollte eigentlich was anderes machen, es wurde sehr in Frage gestellt, ob das – als Band – das richtige Lebenskonzept ist.

Es gab einen Ansatz zur Reunion.

Wir haben uns getroffen – so Mitte, Anfang 2005 -, und ich hab gefragt, was jetzt Sache ist. Weil ich natürlich so’n bisschen gehadert habe mit der Solosache. Wie mit ’ner Ex-Freundin, wenn man das Gefühl hat, das könnte noch mal was werden. So saßen wir zusammen, und ich hab die Frage in die Runde gestellt. Wenn sie gesagt hätten: „Wir machen es „, hätte ich alles stehen und liegen lassen. Aber dann war klar, dass wir’s nicht noch mal machen, und das war für mich Absolution und gleichzeitig Antrieb. Ab da hab ich konkret angefangen, meine Songs in Stein zu meißeln und die Produktion zu planen und so weiter.

Du hast aus dem Bruch keine Traumata davongetragen ? Da kam doch auch einiges an Hörne…

Durch die Medien odeT wie? Die sind mir doch egal. Mich interessiert mein direktes Umfeld, und das hat mit viel Verständnis reagiert und Hilfe. Natürlich ist es schwierig, mit der Trennung einer Band, mit der man die meiste und bisher wichtigste Zeit seines Lebens verbracht hat, umzugehen. Einen neuen Weg zu finden, sich erst mal bewusst zu werden, was man will natürlich ist das traumatisierend, keine Frage.

Aber über einer klischeehaften Darstellung deiner Person in den Medien stehst du drüber?

Am Anfang hab ich mich gewehrt wie ein Tier. Ich dachte, es war möglich, ein tatsächliches Bild meiner selbst zu vermitteln, über die Presse. Mittlerweile finde ich: Diese vereinfachte Figur, die sie darstellen, ist immer noch tief genug, um meine Musik zu tragen. In wie vielenlnterviews ich schon Dinge revidiert habe! Aber das Klischee ist einfach interessanter. Ich kann jemandem lang erklären, dass es nach der Trennung erleichternd war. Meinst du, der schreibt das? „Nach der Trennungfiel er in ein tiefes Loch, und jetzt ist er wieder da! Das ist schön einfach, das lesen wir alle gern.

Das Loch war vorher.

Die Bauchschmerzen waren vorher. Ich fiel in ein Loch – und das ist eigentlich j etzt zu persönlich -, als meine Freundin mich verließ, ungefähr ein Jahr danach. Aber ich hab mich dann dem sehr gern hingegeben und hab in der Zeit sehr intensiv geschrieben. Und „Loch“ … Mir ging’s halt einfach beschissen. Verständlich. Du bist plötzlich alleine… Stell dir mal vor- das Haus war ziemlich groß -, wie verwahrlost das plötzlich war. Ich hab mich halt um nichts mehr gekümmert…

Wie weit sind die Abschiede und kleinen Traumata in die Arbeit am Album eingeflossen ? War dos dann so ganz frei und unbeschwert oder saß da – nach dem Misserfolg des letzten Echt-Albums Recorder – eine gewisse Angst vorm Scheitern im Nacken?

Es war überhaupt nicht negativ behaftet, nicht trotzig, so „jetzt zeig ich’s denen“, aber auch nicht ängstlich, „hoffentlichklappt’s …“.sonderneinfach: Ich mach das jetzt. Ich mach jetzt meine Platte. Da es Echt nicht mehr geben wird und ich mir gar nichts anderes votstellen kann, was ich machen möchte.

Bist du jetzt zu hundert Prozent selbstbewusst oder ist da ein gewisser Bammel, was mit hellblau passiert?

Nee, ich glaub … dass das sie Platte schlechthin ist. Ich finde, dass das eine der besten deutschsprachigen Platten ist, und ich war enttäuscht, wenn Deutschland das sozusagen nicht erkennt. Da würde ich an meinem Land so’n bisschen zweifeln, (grient) Hat dir der Deutschpop-Boom ein wenig den Weg bereitet, das Fallen der letzten Rezeptionshürden für deutschsprachigen Pop in den letzten Jahren?

Da sind wir (Echt; Anm. d. Red.) ja nicht unschuldig dran, dass deutschsprachige Popmusik wieder eine Plattform in den Medien bekam. Vor uns gab’s die Ärzte und Grönemeyer und die Toten Hosen. Aber nichts Junges, das tatsächlich übergreifend populär war. Ich glaub schon, dass das wichtig ist für uns, dass es wieder große deutsche Popmusik gibt und Künstler, die Musik für dieses Land machen.

Warum ist das wichtig?

Weil ich finde, dass uns unsere Identität völlig flöten gegangen ist. Natürlich durch die frühe Vergangenheit, aber auch durch die nahe Vergangenheit, durch den Mauerfall… Wir wissen einfach nicht mehr, wer wir sind. Wir haben keine tatsächliche Kultur, die anfassbar und benennbar ist. Diese ganzen reflektierenden Filme – immer noch mal der Krieg und die DDR – helfen auf gar keinen Fall. Es gibt wenige Filme, die sich mit dem Jetzt beschäftigen und mit den Problemen, die wir jetzt haben. Ich fand z.B. „Knallhart“ einen unglaublich guten Film. Das war ein Film über jetzt. Wir brauchen auch Musik, die im Jetzt spielt. Und mehr Mut zu Größe in der Musik und im Film. Ich finde, dass wir zu dörflich sind, was das angeht.

Das wäre also auch Folge einer Altlast.

Ichwürd snichtAltlastnennen. Vergangenheit. Ich find es ja auch wichtig, dass wir uns nach außen hin zusammenreißen und politisch korrekt sind – das ist ja auch unsere Verantwortung. Aber innen drin, für uns, für unser Land, für unsere Leute, für unsere Sprache, könnten wir ruhig ein bisschen – Stolz ist das falsche Wort… Größe entwickeln.

Da kommst du aber in ein schwieriges Fahrwasser.

Warum müssen wir uns vor uns selbst verstecken, das seh ich nicht ein. Wenn der Song groß und geil ist, warum muss er dann dilettantisch produziert sein? Warum muss ein groß produzierter Song dilettantisch gesungen sein? Warum muss es immer irgendwo hapern? Warum muss ein Film, der eine tolle Aussage hat, schlecht gefilmt sein? Warum muss ein Film, der gut gefilmt ist, eine Komödie sein? In meinen Augen fehlt da einfach oft der Mut. In der Malerei sind wir ganz vorn, da fehlt den Leuten nicht der Mut.

In dem Pressetext zu der Platte erwähnst du explizit deinen Vater, den du nie kennengelernt hast. Na ja, drei, vier Worte kriegt er mit. (lacht) Aber du hättest die Bemerkung auch weglassen können. Trägst du da noch was mit dir rum ?

Nein. Ich find’s nur interessant. Wenn ich möchte, dass man mich versteht, ist das schon wichtig. Dass meine Mutter ihn verlassen hat und eine starke Frau ist, die mich erzogen hat. Und dass ich ihm gegenüber mehr oder weniger keine Gefühle hege – woher auch? Ich vereinfach mir das auch sehr gern, dieses Thema. Warum auch nicht, immerhin kenne ich diesen Mann nicht. Aber der lebt. In Deutschland. Ich frag mich halt, was mit einem Vater los ist, der über Jahre seinen Sohn im Fernsehen sieht und nicht einmal das Bedürfnis verspürt, da Kontakt aufzunehmen. Jeder Tag macht’s natürlich auch schwieriger. >»www.myspace.com/kimfrank