Leila Akinyi im Interview: „Ich möchte Musik machen, um eine bessere Welt zu schaffen“


Rapperin Leila Akinyi im Interview über die Kinderserie „Karmas Welt“, die Notwendigkeit von Repräsentation, die „Black Lives Matter“-Bewegung, #deutschrapmetoo und ihre neue EP „Slumdog“.

Es gibt da eine neue Kinderserie, dank derer wir über Feminismus, Rassismus, Sexismus und Empowerment in der Popmusik sprechen können: „Karmas Welt“ begleitet die zehnjährige Karma Grant, eine aufstrebende Musikerin und Rapperin, die ihr Herzblut ins Songwriting steckt und durch smarte Reime, Leidenschaft, Mut und Humor ihre Gefühle zum Ausdruck bringen will. Verhandelt werden Themen wie Selbstwertgefühl, Körperbewusstsein, Diskriminierung, Kreativität, Freundschaft, Familie und kulturelle Unterschiede. Schöpfer und Produzent der Animationsserie ist Rapper Chris ‚Ludacris‘ Bridges, der auch alle Songs der Serie verfasst hat. Inspiriert wurde er durch seine älteste Tochter – Karma. Die Serie feierte im Oktober 2021 ihre Premiere auf Netflix und kehrt am 10. März für eine zweite Staffel zurück.

Geboren in Mombasa und aufgewachsen in Köln, zeigt Leila Akinyis Werdegang Parallelen zur Animationsfigur Karma auf. Auch sie begann schon früh mit der Musik. In ihren Texten führt Akinyi über Genregrenzen hinweg einen Diskurs über Misogynie, Sexismus, Rassismus und Unterdrückung. Akinyi repräsentiert damit nicht nur Selbstbewusstsein und Selbstliebe, sondern will mit ihrer Musik auch für transkulturelle Solidarität und post-identitäres Empowerment stehen. Ihre neue EP „Slumdog“ soll dieses Jahr erscheinen.

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Warum gibt eine Musikerin Interviews zu einer Serie, in der sie weder mitspielt noch Songs beigesteuert hat?

Leila Akinyi: Ganz einfach: Ich wurde gefragt, ob ich Interviews zu ihren Themen geben möchte. Ich habe erst den Titel von der Serie gesehen und sie mir dann angeschaut. ‚Wow, wie cool ist das denn?‘, dachte ich sofort und machte mit.

Was unterscheidet „Karmas Welt“ von anderen Kinderserien? Was ist ein Alleinstellungsmerkmal?

Leila Akinyi: Karma ist ein kleines, Schwarzes Mädchen. Das ist das erste, was mir aufgefallen ist. Ich habe das selbst nie erlebt, dass ich Kinderfilme sah und dort Schwarze Kinder auch die Hauptrolle gespielt haben, also auch wirklich dunkle Kinder.

Ausschnitt aus der Kinderserie „Karmas Welt“

Du hast den Großteil deiner Kindheit in Deutschland verbracht. Es hätte dir also geholfen, eine Figur wie Karma in Fernsehen zu sehen?

Leila Akinyi: Definitiv! Ich bin sehr traurig, dass ich nicht wie Karma sein konnte oder dass ich sie damals noch nicht kannte. Sie hätte mich definitiv geprägt und ich wäre vielleicht auch ganz anders aufgestanden und zur Schule gegangen. Früher habe ich mich nirgendwo gesehen und alleine gefühlt.

Siehst du dich und deinen Weg in so einer Figur repräsentiert?

Leila Akinyi: Ja, voll. Karma möchte Rapperin werden, um die Welt zu retten. Ich habe selbst früher auch immer gesagt: Ich möchte Musik machen, um eine bessere Welt zu schaffen. Ich war früher im Gospel und ging viel in die Kirche. Da haben wir gelernt zu evangelisieren, das Wort Gottes weiterzugeben. Als ich angefangen habe, selbst Texte zu schreiben, habe ich mir die Frage gestellt: Was möchte ich eigentlich damit erreichen? Und dann dachte ich mir: Ich möchte auch evangelisieren, quasi die Welt zu retten. Ich habe das dann umgewandelt in ‚Liebe verbreiten‘, weil ich mir dachte: Wenn ich jetzt sage, ich evangelisiere, sagen die Leute: ‚Die spinnt‘. Aber wenn ich sage, es geht darum Liebe zu verbreiten, dann können viel mehr Menschen damit arbeiten.

28 Frauen, die die Deutschrap-Szene gerade ordentlich aufmischen

2020 hast du den Track „Fernseher“ veröffentlicht, der sich mit den „Black Lives Matter“-Demonstrationen auseinander setzt, die in dem Jahr auch in Deutschland zahlreich stattfanden. Schon davor hast du dich in deiner Musik mit Themen wie Rassismus und deinem eigenen Schwarzsein auseinandergesetzt. Wie bewertest du die Proteste rückblickend, und hat sich seitdem nachhaltig etwas verändert?

Leila Akinyi: In allererster Linie finde ich die „Black Lives Matter“-Bewegung gut. Es war wichtig, dass in diese Richtung was passiert ist. Und es ist einiges passiert. Nach der „Black Lives Matter“-Bewegung entstanden viele Vereine, wie „N-Wort stoppen“ oder Blumen e.V., die sich für Schwarze einsetzen. Ich habe auch das Gefühl, dass Schwarze Künstler jetzt mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber sehr viel hat sich nicht geändert, und es war auch eher ein Trend, der von Amerika hier her geschwappt ist. Ich hatte tatsächlich überlegt, den Song „Black Lives Matter“ zu nennen. Aber dann wollte ich mich liebe von diesem Trend loslösen. Ich kämpfe schon mein ganzes Leben lang gegen Rassismus. Mir fällt auf, dass seit der Bewegung Menschen über Rassismus sprechen, die gar nicht davon betroffen sind, auch wenn jeder so seine eigenen Erfahrungen macht.

An wen denkst du da?

Es gab da zum Beispiel diese Geschichte mit Jorja Smith. Im Song „Peng Black Girls“ ging es darum, dass wir, die black girls, viel zu wenig in den Medien sind. Was passiert? Anstatt die dark-skinned Frauen aus dem Video zu supporten, springt sie auf den Song auf und ist diejenige, die dafür gefeiert worden ist. Das spüre ich auch jetzt: Hellhäutige People of Color werden mehr unterstützt, als wirklich Dunkelhäutige. Auch das ist gut an „Karmas Welt“: Es geht darin wirklich um ein Schwarzes Mädchen, also ein dark-skinned Mädchen.

Seht hier den Clip zu Leila Akinyis Single „Fernseher“:

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Fühlst du dich manchmal auf deine Hautfarbe reduziert? 

Leila Akinyi: Ich fühle mich nicht darauf reduziert. Aber ich merke, dass da eine Lücke ist, dass da viele Fragen sind und das Menschen nach Antworten suchen. Das finde ich manchmal schade: Ich hatte die EP „Afro Spartana“ herausgebracht. Die Idee dahinter war, ein Statement zu setzen und zu sagen: Ich liebe mich so, wie ich bin. Darüber müssen wir nicht weiter reden. Ich weiß, was abgeht, ja, ich erlebe Rassismus, aber ich gehe so oder so damit um. Plötzlich ging es aber nur noch darum.

Die Geister, die du riefst…

Ich bin auch dankbar dafür. Ich habe gemerkt, wie wichtig das Thema ist, denn viele Menschen sagten mir, dass ihnen der Track Kraft gegeben und sie stark gemacht hat. Ich traf einen wunden Punkt, an dem ich dran bleibe. Aber ich bin mehr als ’nur‘ eine Schwarze Frau. Ich bin ein Mensch, ich bin eine Frau, ich bin eine Person, die Dinge erlebt im Leben außer Rassismus. Ich bewege mich nicht nur in einer Ecke, und ich bin sehr vielseitig, wie meine Musik.

#deutschrapmetoo hat viele Abgründe offenbart in der Musikbranche: Wie blickst du auf die Debatte und was muss passieren, damit sich in der Szene etwas nachhaltig verändert?

Leila Akinyi: Bei #deutschrapmetoo geht es ja um Rapper, um Typen. Deren und damit unser Problem beginnt in der Art, wie wir Männer großziehen. Ich fand #deutschrapmetoo wichtig. Über Sexismus muss öffentlich gesprochen werden. Mir sind solche Sachen auch schon passiert. Ich habe nie darüber gesprochen, denn man hat oft das Gefühl, nicht ernst genommen oder dafür fertig gemacht zu werden. Dass diese Angst ein wenig genommen wird, ist gut und nötig. Und vielleicht verändert sich durch diese Bewegung auch die Sicht der Textschreiber, also der Rapper, in der Art, wie sie Dinge formulieren. Gleichzeitig geht es auch darum, dass HipHop immer als gewalttätig wahrgenommen wird. Aber HipHop ist viel mehr als das, zumindest in meiner Welt. Ich finde es wichtig, dass man das voneinander trennt.

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Du befürchtest also, dass die Debatte Gefahr läut, das Stereotyp von HipHop, gewalttätig und frauenverachtend zu seit, zu bestätigen?

Leila Akinyi: Ja, definitiv. Wenn ein Rapper solche Texte schreibt und seine ganzen zehnjährigen Fans das hören, dann denken die:‘ Ja, das ist die Sprache und der Umgang‘. Es ist wirklich ein schwieriges Thema für mich, denn andere würden sagen: Das ist HipHop, so drücken wir uns aus. Ich sage: Nein, so muss das nicht sein. Frauen vergewaltigen oder Zuhälter sein oder Frauen wie Objekte behandeln, all das hat überhaupt nichts mit HipHop zu tun. Das hat etwas mit der individuellen Person zu tun, wie er mit Frauen umgeht. Es ist ein schwieriger Grad, wann Kunst noch Kunst ist. Aber wenn ein Zehnjähriger beispielsweise Fan von Capital Bra ist, dann lernt er keine andere Seite kennen. So wird es zu einem Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

In deinen Texten befasst du dich auch viel mit Women Empowerment und Selbstliebe. Wer sind Frauen, die dich inspirieren, zu denen du aufschaust oder von denen du lernen kannst?

Leila Akinyi: Meine richtigen Vorbilder waren keine Künstlerinnen. Klar schaute ich auf zu Lauryn Hill, Whitney Houston, Destiny’s Child, Missy Elliot und diese ganzen Rapper. Aber meine wirklichen Vorbilder waren oft Menschen im Leben, die mich unterstützt und an mich geglaubt haben. Das kann meine Chorleiterin, das kann meine Managerin sein. Ich habe mal an einer Schule gearbeitet. Die Frau, die dort für uns zuständig war, hat so sehr an mich geglaubt. Menschen wie sie inspirieren und motivieren mich.

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Du hast mit „Slumdog“ eine neue EP angekündigt, die noch in diesem Jahr erscheinen soll. Was dürfen Fans erwarten?

Leila Akinyi: Rap in ya Face! Was für Female Rap? Es kommt einfach Rap. Ich muss sagen, ich bin Rapperin, aber ich habe noch nicht gezeigt, was ich kann. Viele Songs, die ich geschrieben habe, sind in den letzten Jahren liegen geblieben. Ich habe in meiner bisherigen Karriere längst nicht alles rausgebracht, was ich geschrieben habe, weil es auch viele Komplikationen gab. Ich freue mich, diese HipHop-Seite von mir mit euch zu teilen. Feinster HipHop und Rap, ein bisschen Trap-Beat wird auch mit dabei sein.

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Wovon ist die EP inspiriert?

Leila Akinyi: Vom Struggle durch den ich gegangen bin in den letzten Jahren. Und natürlich auch durch andere Erlebnisse. Es ist lange her, dass ich eine komplett eigene EP veröffentlicht habe, die letzte erschien 2016. Die neue EP wird auf jeden Fall ein Stück Persönlichkeit von mir sein, das nach draußen geht. Ich möchte unbedingt auf den großen Festivals spielen, und das werde ich nicht, solange ich nicht liefere. Ich freue mich, dass diese Songs jetzt rausgehen und bin richtig aufgeregt!

Du planst, 2023 auf Tour zu gehen. Kann man dich vorher auch schon irgendwo live erleben?

Im Mai habe ich einen Auftritt beim Africa Festival in Würzburg, dann bin ich erstmal im Ausland. Ansonsten habe ich noch viele offene Anfragen, die wegen der Corona-Lockerungen gerade reinkommen, aber noch nichts festes.

Seht hier den Trailer zu „Karmas Welt“:

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