Mittwoch Kindertag


Monumentale Beats! Politik! Kontroverse! Kein Zweifel, die Beginner sind zurück! Warum aber haben sie pünktlich zum neuen Album die "13-jährigen Zombie-Buffalo-Träger" wieder lieb?

Rebellion gerne, aber alles zu seiner Zeit. „Jan möchte nicht mit der Springer-Presse reden“, vermeldete seine Plattenfirma noch bei Veröffentlichung des inhaltlich bisweilen aufrührerischen Jan Delay-Albums, und die Teenie-Presse hatte er sowieso gefressen. Nach angeblich schlechten Erfahrungen mit BRAVO – per Definition von DJ Mad im Jahr 2000 „von jeher das absolute Poison-Blatt, wo nur das Schlimmste passiert und die dümmsten Grins-Fressen waren“ -, hatte man im Beginner-Lager beschlossen, das ganze Teenager-orientierte Zeitschriftensegment zu meiden. „Wir machen das ja nicht, um geil Geld zu verdienen“, erklärte Eißfeldt dem ME vor drei Jahren, „sondern wir wollen Spaß haben.“ Was – und da waren sich Mad, Denyo und Eißfeldt einig – schwierig ist, wenn man erst mal auf dem Bravo-Poster war. „Auf einmal sind in den ersten Reihen auf Konzerten nur noch diese Fratzen. Da muss man die auch einfach mal beschimpfen, damit die nicht mehr wiederkommen“, so Eißfeldt.

13-jährige Zombie-Buffalo-Träger, wie der einflussreichste deutsche Rapper seiner Generation die jungen Fans liebevoll nannte, müssen 2003 allerdings nicht mehr außen vor bleiben. Pünktlich zur Veröffentlichung der neuen LP Blast Action Heroes, die in Sachen Produktion, Reimfluss und Musikalität im deutschen HipHop einmal mehr Maßstäbe setzen wird, haben die Beginner ideologisch gesehen ein waghalsiges Wendemanöver – im Hamburger Hafenjargon „Halse“ genannt – vorgenommen: „Dieser ganze idealistische Scheiß – man muss sich auch weiterentwickeln dürfen“, meint Denyo und lehnt sich in einem sonnigen Hotelgarten in München zurück. „Wir sind keine Gutmenschen.“ Gerne lässt man nun die Fragen der YAM!-Reporter über sich ergehen, bereitwillig werden Termine mit der BRAVO ausgemacht. Die Beginner haben, das behaupten sie zumindest, wieder Hoffnung gefasst, dass eines Tages ein gehaltvoller Artikel in den Teeniemagazinen stehen wird. „Wo kriegst du schon mal fundierte Informationen über Daniel Küblböck? Weißt du, wenn man’s mal wissen will“, ereifert sich DJ Mad plötzlich so ernsthaft, dass ihn Eißfeldt misstrauisch von der Seite anschaut. „Ich will keine fundierten Informationen über Daniel Küblböck“ – „Ich schon!“ geht es hin und her, bis Denyo unterbricht. Prinzipien schön und gut, meint er, man darf da nicht verkrampfen: „Man muss auch die Größe haben, zusagen, ‚Hey-drei Jahre später, wir bringen ein neues Album raus – und wir wollen das dick rausbringen.‘ Wir wollen irgendwie, dass alle Leute darauf stoßen, damit sie eventuell dieses geile Album jedenfalls mal hören. Dann geht man dafür auch Kompromisse ein.“

Ein probates Mittel, mit klaren Ansagen die Flucht nach vorne anzutreten, um einer Szene die Stirn zu bieten, die auf jegliche Kommerzialisierungsbestrebungen äußerst allergisch reagiert. Ausverkauf! schreit ein jeder HipHop-Head zwischen Husum und Garmisch noch immer mit Begeisterung, wittert er Verrat an den Prinzipien, die nie und nirgendwo zu den Spielregeln des Business gehört haben, von jeher aber so selbstverständlich im „Underground“-Pathos der Vorstadtgangster verankert sind, wie die 2Pac-Greatest Hits im CD-Regal. Eine reichlich unentspannte Szene von Puristen ist das, um deren Respekt die Beginner nie wirklich gebuhlt haben. „Ich denke, wir versuchen schon, Mainstream zu sein“, sagte Denyo – ein enthusiastischer Gesprächspartner, der häufig das Wort ergreift – kürzlich in einem Interview mit „Juice“ ganz offen. Und Eißfeldt, der sich inzwischen „Eizi Eiz“ nennt, legte nach: „Nein, wir versuchen das nicht – wir sind so. Wir haben immer schon auf The Score geflasht oder auf die erste Puff Daddy-LP. Das ist unser Geschmack.“

Auch für die neue Beginner-Platte hatte Eißfeldt bereits im Vorfeld internationale Maßstäbe angelegt und den Anspruch formuliert, „musikalisch ganz nach oben“ zu wollen. „Bambule zu toppen – rein qualitativ – ist eigentlich relativ einfach“, analysiert Denyo, dem wichtig war, „schon klassische, aber auch neomäßige, dicke Sounds“ zu entwerfen, die Club-tauglich sind. „Bambule war für damalige Verhältnisse ein Burner-Ding, aber nicht für heutige. Zu toppen, was heute existiert, das kann man halt nur so teammäßig machen. Man schraubt sich dann auch wahnsinnig an den Raps oder den Beats, und dann liegt’s halt in der Natur, dass der andere mal sagt, das ist cool oder das nicht. Sonst verzettelt man sich auch. Wenn man mit Perfektion an so’n Ding rangeht, wird man verrückt, wenn man’s alleine macht.“ Um nach den drei Jahren, die nach Bambule im Zeichen von Remix- und Solo-Projekten standen, als Team zusammen zu finden, verschanzten sich die drei Hamburger mit Samplern und Studio-Equipment für sechs Wochen in einem Refugium auf der Nordseeinsel Amrum. Zwar stimmte die Chemie, lähmend wirkte sich aber der selbst auferlegte Leistungsdruck aus. „Am Anfang war der am größten. Da hast du ein Wort aufgeschrieben, einen Reim gemacht, und den sofort wieder verworfen“, erinnert sich Denyo. „Weit du halt Angst hattest, dass der nicht gut genug ist. Aber das ist dann mit der Zeit weggegangen. Nach ungefähr einem Jahr haben wir angefangen, uns ein bisschen locker zu machen – nicht gleich den Beat auszumachen, wenn jemand Fremdes ins Studio kommt.“ Die Ruhe kam für Denyo mit der Erkenntnis, „ein paar Perlen im Gepäck zu haben. Tatsächlich ist Blast Action Heroes in puncto Produktion monumental und bleibt vor allem musikalisch – man beachte nur das fantastische „Victim Of Love“-Sample von Eagles‚ Hotel California-LP in „Wer bist’n Du?“ – abwechslungsreich und unvorhersehbar. Textlich wurde zugunsten des Inhalts weitgehend auf Battle-Reime verzichtet: „Scheinwerfer“ und „Wunderschön“ sind kluge kritische Auseinandersetzungen mit Deutschland. Überraschend ist in seiner Drastik lediglich „Schily-Schill Bang Bang“, eine wütende und beleidigende Abrechnung mit dem Hamburger Innensenator Ronald Schill und dem Innenminister Otto Schily, dem Eißfeldt unter anderem vorwirft, ein ideologischer Wendehals zu sein. Derart deutliche politische Stellungnahmen kannte man bisher von den Beginnern nicht. So sagte Eißfeldt noch 2001 über seinen umstrittenen Solo-Track „Söhne Stammheims“: „Ich interessiere mich schon lange für dieses Thema, das wollte ich auch schon immer mal machen. Als Beginner geht das nicht, weil das nicht deren Ding ist.“ Auch wenn Eißfeldt sofort aufbraust, wenn man fragt, ob er als erfolgreichster Solo-Künstler inzwischen die Rolle des Wortführers bei den Beginnern übernommen hat, kann „Schily-Schill Bang Bang“ doch als Indiz für einen Einfluss Eißfeldts gewertet werden, der bezüglich der politischen Ausrichtung der Beginner ein demokratisches Drittel übersteigt. „So’n Scheiß, ey“, widerspricht er genervt, „sonst würde Dennis ja nicht sagen, ‚da rapp ich mit‘ oder ‚da bin ich dabei'“. Und obwohl alle drei betonen, dass es „den klassischen Bandleader nicht gibt“, räumt Denyo schließlich doch ein, dass der Song „ja auch fast wie ein Solo-Track ist. Da rappt ja auch nur er. Na also – dann ist ja klar, was da geht.“ >>> www.beginner.de