Nach Art des Hauses


M. Walking On The Water machen die Raumnot zur Tugend. Mit ihrer Studio-Ausrüstung zogen sie zum Werken an der neuen LP ins Wohnzimmer.

Ein trüber Tag in Krefeld. Friedliche Sonntagsrahe im Smogmanlei legt sich wie schlechter Schlaf über die Häuserreihen, und sogar das Martinshorn des benachbarten Krankenhauses schweigt dazu. Vor ein paar Tagen war hier alles anders.

Zeuge der wilden Vergangenheit: Ein heimeliger Altbau, in dem M. Walking Ön The Waters Kreativduo, Markus Maria Jansen und Mike Pelzer seit jeher zwei Stockwerke bewohnen. Und seit neuestem auch arbeiten. Neben Mike Pelzers freundlicher Wohnküche baut sich im Kabelgewirr überdimensional ein Mischpult auf, und 24 Spuren kommen schließlich selten allein.“.Das Schlagzeug stand im Wohnzimmer, und die Gitarren haben wir im Keller aufgenommen“, grinst Sänger Markus Mana Jansen. Alles gut mit Eierkartons isoliert — ein gesamter Straßenzug wurde wohl unfreiwillig erster Zeuge von WOOD, der vierten M. Walking On The Water-LP. „Ach nee, war nicht so schlimm, “ winkt Markus ab, „die Oma von rechts, die steht eh‘ auf unserer Seite, seit sie mal in einem Videoclip von uns mitspielen durfte.“

Wer bei der Heimproduktion von WOOD nicht unbedingt auf der Seite Deutschlands lautester Folkband stand, die mittlerweile schon seit fünf Jahren Kritikern und Publikum mit Akkordeon und Elektrogitarren die Ohren freiputzt, war das Glück. Denn die Idee, aus Mike Pelzers nicht gerade fürstlicher Etage kurzerhand ein Heimstudio zu machen, und diesen für die gesamte Aufnahmezeit in sein Schlafzimmer zu verbannen, war nicht etwa ein gedankliches Produkt der spontanen Frische, mit der M.WaJking On The Water seh Jahren über Wasser bleiben. Sie war eine schlichte Notlösung.

..Nun, wir hatten uns das ganze Equipment gekauft, um wirklich unabhängig arbeiten zu können, und plötzlich haben sich alle Raumangebote für unser geplantes eigenes Studio zerschlagen. Die Zeit drängle, und um wenigstens Demos machen zu können, haben wir den ganzen Krempel hier reingesielli, weil hier auch der einzige Heizkörper stand.“ Die Zeit drängte weiter, und die Geräte wurden zu Dauergästen. „Eigentlich war alles sehr nett“, resümiert Markus. Kein Wunder, im Nachbarhaus jonglierte Sigi. Lichtfrau und gute Seele der Band, tagtäglich gekonnt mit den Kochtöpfen — Stammkneipe, Freundinnen, alles war präsent: Im Krefelder Mikrokosmos konnte die neue Selbständigkeit kaum in Streß ausarten. „Genau das wollten wir“, nickt Markus zufrieden, „unseren Alltag auf die Platte bringen. Kirchenglocken und Krankenwagen, hier in Krefeld. Nicht in einer fremden Stadt im dunklen Studio sitzen, während du doch viel lieber draußen spazieren gehen würdest. Hier lenkt nichts Unbekanntes ab.“

Es sei denn, der unglückliche Fall eines Gitarristen über die hauseigene Treppe. Mike Pelzer hat die halbe Produktion mit Gipsbein hinter sich gebracht und dabei das eigene Wohnzimmer als Arbeitsplatz zu schätzen gelernt: „So konnte ich wenigstens im Liegen auf dem Sofa singen. “ Da erstaunt es wenig, wenn das Gründerduo Jansen/Pelzer die Umbesetzung ihrer Rhythmustruppe nur noch mit einem Schulterzucken quittiert: „Mein Gott, das ist doch schon so lange her… Wir waren einfach als Band zu eingespielt, es mußte mal was Neues passieren.“

Das Neue ist deutlich zu hören auf WOOD: Während der Vorgänger ELYSI AN bisweilen gar zu verzückt in den Pophimmel entschwebte, ist WOOD ganz der Name: kantig, rauh, vielleicht gar sperrig, und in Verbindung mit M. Walking On The Waters typischen Folkharmonien doch wärmer und natürlicher. Nicht ganz unbeteiligt daran ist ein geduldiger Engländer, Dave Young, Stammproduzent der Berliner Element Of Crime, der etwa auch bei Brian Eno und John Cales Zweierprojekt WRONG WAY UP mitgewirkt hat. Er teilte sich als Coproduzent das häusliche Chaos in Krefeld mit der Band, und gibt als Profi zu, „daß es teilweise schwierig war.“ Mittlerweile fühlt er sich wohl in der trauten Küchenrunde, und ist zum Fachmann der neuen deutschen Arbeitsweise geworden. „Stellst du die Kabel, die dort drüben in dem Kamin verschwinden? Sie führen in den Keller. Es ist ein sehr komplizierter Aufbau, alles improvisiert, eine wunderbare Arbeit.“ Im Wohnzimmer ein Schrei. Gepolter — Dave zuckt mit den Schultern und lacht: „Schon wieder ’nen Kopfhörer kaputtgetrampelt? Das passiert hier fast jeden Tag.“