Nach dem angeblichen Ende lebten Radiohead erst richtig auf


Radiohead sind so gut, daß sie einem geradezu angst machen“, meinte Michael Stipe, nachdem das Quintett aus Oxford in den USA den Opener für die Megastars von R.E.M. gemacht hatte. Lob unter Musikern ist nicht eben selten. Weniger oft aber ist es so angebracht wie im Falle von Radiohead. Zumal die britische Band beinahe an den Konsequenzen ihres plötzlichen Erfolgs zerbrochen wäre. Statt dessen jedoch wuchsen Radiohead zu einer exzellenten Live-Band heran. Zuvor aber, noch ehe das zweite Album erschien, wären Radiohead um ein Haar in jenem Wirbelwind untergegangen, der unter dem Namen Britpop die englische Musikszene kräftig entstaubte. Dabei hatten die fünf Engländer den Union )ack in Amerika bereits zu einem Zeitpunkt hochgehalten, als ringsherum nur Gangsta-Lyrik und Grunge-Gegreine den Ton angaben. Auf dem Rücken der Hitsingle ‚Creep‘ verkaufte auch das Debut-Album ‚Pablo Honey‘ in den USA erstaunlich hohen Stückzahlen. Statt an irgendeiner populären Masche mitzustricken, überzeugten Radiohead mit schlichtem Gitarrenrock. Die Engländer verzichteten völlig auf knallige Effekte und verließen sich statt dessen ganz auf gediegene Songs mit starken Arrangements. Allein: Die Auswirkungen des Erfolgs — ständiger Druck durch die Medien und monatelange Tourneen — versetzten den Sänger und Songschreiber von Radiohead, Thom Yorke, in einen Zustand, der dem von Kurt Cobain in schlechteren Tagen nicht unähnlich gewesen sein soll. Eine Zeitung ging sogar soweit, Yorke als nächsten Suizidkandidaten des Rock’n’Roll zu deklarieren. „An diesem Punkt hörte ich auf, dieses Zeug zu lesen“, erzählt das vermeintliche Opfer rückblickend. Zu Spannungen in der Band war es auch gekommen, als es darum ging, den passenden und kommerziell aussichtsreichen Nachfolger von ‚Pablo Honey‘ aus der Taufe zu heben. Nicht selten kam es bei der Suche nach dem richtigen Weg zu lautstarken Auseinandersetzungen. Und zu allem Überfluß stand just zu jener Zeit auch noch eine Mexiko-Tournee auf dem Programm — tagelang nur Hitze, Staub und Hetze. Dann wieder endloses, an den Nerven zerrendes Warten. „Wir alle waren völlig geschafft“, erinnert sich Thom Yorke. Das Resultat: Flüche und tieffliegende Flaschen. Einmal aus Mexiko zurück, lösten sich die Probleme jedoch in Luft auf. Mit ‚The Bends‘ glückte Radiohead ein Album von durchschlagender emotionaler Dynamik. Eine England-Tournee sorgte für den kommerziellen Erfolg der Platte. Und obwohl Radiohead mit der ganzen Britpop-Euphorie nichts zu schaffen haben, rangierten sie zur Jahreswende in den englischen Pop-Polls doch zwischen Oasis, Pulp und Blur. Und zwar bei Lesern wie bei Kritikern. Will heißen: Beide sind durchaus bereit, auch schwerere Kost zu sich zu nehmen.