Nina Persson gönnt sich eine Auszeit von den Cardigans. Und schlägt auf ihrem ersten Solo-Album sehr persönliche Töne an.


Was für eine Couch. Dieser samtene, tiefblaue Bezug. Diese edel geschwungenen Linien. So eine Art Crossover aus L- und S-Form. Wunderbar ist nichts dagegen, und irgendwie ist dieses schnieke Sitzmöbel wie gemacht für Interviews mit Popstars. Perfekt integriert in die geschmeidig hochgezogenen Armlehnen befinden sich nämlich zur Linken und Rechten hell strahlende Miniaturscheinwerfer – und das sind Popstars ja gewohnt, so im Spotlight zu stehen. Beziehungsweise hier: zu sitzen. Designersofa, Popstar und Berichterstatter befinden sich im Hotel im Wasserturm zu Köln, und äugen scheinlich haut das mit der Gewöhnung im Moment nicht so ganz hin. Nina Persson ist zwar so blauäugig wie vorgestellt, aber damit ist auch schon Sense mit der Erfüllung der Erwartungshaltung. Die Sängerin der Cardigans lässt den Blick einigermaßen befremdet zwischen den Beleuchtungskörpern hin und her schweifen, fingert eine Zigarette der milden Sorte aus der Packung und fackelt dann nicht lange. Schwuppdiwupp ist die Interviewsituation ins Gegenteil verkehrt, bevor’s überhaupt losgeht. „Hast du etwa gedacht, ich mache so ein Discomusik-Ding?“ fragt Nina Persson und präsentiert dabei eine Melange aus dezenter Entrüstung und nassforscher Attitüde. Das soll die Frau sein, die – zumindest bis zum Erscheinen des düster-melancholischen Albums „Gran Turismo“ – für die personifizierte Niedlichkeit stand und im Kontext der Cardigans gekonnt die Zuckerbäckerin des blitzeblank polierten Popsounds gab? Jawohl, soll sie, ist sie.

Nach vier Platten mit den Cardigans hat Nina Persson ihr erstes Solo-Album aufgenommen, und „A Camp“ hat so gut wie nichts von der Catchyness der Cardigans. Hat man bei dem Schweden-Fünfer des Öfteren das Gefühl, die Songs schon vor dem kompletten Hören in und auswendig zu kennen, wächst „A Camp“ eher langsam. Der Singalong-Faktor ist mäßig, das Song-Aufkommen allerdings eindeutig erhöht. Nina Persson schubbelt ein wenig auf dem illuminierten Sofa hin und her und erklärt dann, was ihr wichtig ist. „Ich lege Wen darauf, mich von den Cardigans abzugrenzen. Es ist das erste Mal, dass ich so viel Musik selbst gemacht habe. In der Band schreibe ich zwar die Texte, aber das ist eben doch was anderes. Da sind wir zu fünft, es gibt immer fünf Meinungen, und am Ende müssen die Songs so arrangiert sein, dass es jedem einzelnen passt.“

Ganz allein ist Nina Persson auf ihrem Solo-Debüt allerdings nicht zugange. In Sachen Songwriting hat ihr Niclas Frisk von Atomic Swing tüchtig unter die zarten Arme gegriffen – und der ist nicht nur Co-Songwriter, sondern auch einer ihrer besten Freunde. „Niclas ist ein klassischer Rockschool-Songwriter, schon lange im Geschäft, und das hat mir natürlich sehr geholfen. Er hat den Entstehungsprozess der Songs von Anfang an begleitet. Ich schleppe diese Musik nämlich schon eine ganze Weile mit mir rum. Das älteste Lied ist von ’97. Das war nicht gerade ’ne gute Zeit für uns. Niclas machte eine Mittdreißiger-Krise durch, und ich wusste nicht, wo ich mich lassen sollte, weil ich gerade eine ellenlange Tour mit den Cardigans hinter mir hatte.“ Erschwerend hinzu kam seinerzeit bei Nina Persson eine ausbaufähige Wohnsituation und ein unglückliches Single-Dasein. „I was solo and I lived in a fucking depressive small apartment. Ich möchte diese Zeit nicht noch mal erleben, aber sie war wichtig, weil diese Musik dabei rumgekommen ist.“ „Diese Musik“ atmet reichlich amerikanische Luft und ist, ohne Modernismen wie klug inszenierte Samples zu leugnen, geerdet im Folkrock – und damit möglicherweise so etwas wie die schwedische Ausgabe von Sheryl Crows „Tuesday Night Music Club“. „That’s nice to hear“, sagt Nina Persson, „das ist ein schönes Lob. Ich weiß nicht, ob ich das genauso sehe, kann es aber nachvollziehen, weil wir beide von ähnlicher Musik inspiriert sind. ‚A Camp‘ klingt auf jeden Fall amerikanischer als die Cardigans, die sind internationaler.“

Verantwortlich für diesen American Touch der intelligenten Art ist ein Mann, den man nicht unbedingt im Dunstkreis von Nina Persson erwarten würde: Mark Linkous, im Hauptberuf Mastermind von Sparklehorse, dort zuständig für feinsten Lo-Fi-Folkrock. „Die erste Platte von Sparklehorse trägt den tollen Titel „Vivadixiesubmarinetransmissionplot“‚, sagt Nina Persson ebenso ungefragt wie aus der Pistole geschossen und legt dann eine Erklärung nach: „Ich bin ein großer Fan von Sparklehorse und hab sie bei einem Konzert in Lund das erste Mal gesehen. Da hab ich geheult, so schön war das. Ich hab‘ Mark dann nach dem Konzert getroffen. Wir waren beide sehr schüchtern. Aber irgendwann hab‘ ich’s gescharrt, ihm ein Demo in die Hand zu drücken, im Lauf der jähre haben wir uns öfter getroffen, und nun ist er mein Produzent und künstlerischer Direktor.“ So weit, so nachvollziehbar. Bleibt die Sache mit der Veränderung, die nicht die Ohren betrifft, sondern ganz offensichtlich ins Auge fällt: Nina Perssons Haupthaar. „Ich hab ganz lange darüber fantasiert, wie es wohl wäre, dunkelhaarig zu sein. Als ich dann sicher sein konnte, für längere Zeit nicht fotografiert zu werden, hab‘ ich mir dann endlich die Haare von Blond auf Braun gefärbt. I was blonde for such a long time, it fucked me totally up.“ Die frisurentechnische Veränderung wird aber keinerlei Auswirkungen auf den Fortbestand der Cardigans haben. „Ich habe ein Solo-Album gemacht, und das ist wie Urlaub von den Lieben. Ich werde aber auf jeden Fall in den Schoß der Familie zurückkehren. Wenn ich nicht mit den Jungs zusammen bin, merke ich erst, wie sehr ich sie vermisse.“

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