Radiohead – OK Computer


OK COMPUTER war das Werk von Musikern, die zu viel wussten, zu viel konnten und zu viel wollten. Und so musste die erste Nachricht nach Fertigstellung lauten: Der Rock ist mit OK COMPUTER ganz sicher zu weit gegangen, doch das Experiment ist gelungen. Ja. dies hier ist im folgerichtigen Sinn eine „progressive“ Platte. Und ein mit Maß und Ziel brechendes Ungetüm wie „Paranoid Android‘ muss rein formal wohl als „Rockoper“ gelten [man mag das immer noch nicht glauben: Ausgerechnet diese sechseinhalb Minuten wurden zur Single erkoren]. Zum formaten Davonlaufen. Doch während progklotzende Brillierfinger der 70er dieses Format mit filigran aufbereiteter heißer Luft füllten, bleibt „Paranoid Android“ in seinem raffinierten Folkarrangement zu Beginn, in seiner wütenden Entgleisung in der Mitte und im finalen Choral doch immer ganz nahe bei sich. Es bleibt der Song, der zählt [oder in diesem Fall: eben drei davon in einem]. Das gilt für das gesamte Album: Auch wenn sich Sounds, Effekte. Arrangements in cineastischer Wucht und Detailstreuung auf den Hörer stürzen, so wirkt doch jede Zutat zuvorderst in der Intensivierung dieser getragenen, tragischen Lieder. Im Kern sind sie gar nicht kompliziert, wie Thom Yorke immer wieder in Interviews milde lächelnd erläuterte. Dass er überhaupt lächeln kann, musste einem nach Genuss dieses Brockens von einer Platte dennoch wie ein kleines Wunder vorkommen: Das Leid ist groß auf OK COMPUTER, Yorke lamentiert unentwegt und nur selten gestattet er sich und uns einen Ausbruch im Zorn oder einen Moment unbefleckter Schönheit. Doch seine nie um Vollständigkeit und Statement bemühte, sondern sich in der assoziativen, oft kühlen Beschreibung von Hilflosigkeit, Paranoia und Wahnsinn fürwahr erschöpfende Songlyrik birgt auch zynischen Biss in sich. Der Schmerz ist echt. Ja, in unserer Welt gibt es böse Geister. Jedoch keine Elfen und keine Zauberer. Und trotzdem Hoffnung: „Wake up your dreams. The drying of your tears. Today we escape. We escape.“

Produzenten: Nigel Godrich, Radiohead

Beste Songs: „Paranoid Astroid“, „Karma Police“, „Let Down“

What’s the story? Das Album wurde zum Großteil in St. Catherine’s Court aufgenommen, einem Anwesen in Bath. In der Villa erkundeten Band und Produzent die Klangmöglichkeiten und Atmosphäre der verschiedenen Räume; während Radiohead im ehemaligen Tanzsaal spielten, stand Godrichs Pult in der Bibliothek – mit Blick über die weitläufige Gartenanlage.