Kritik

„Reservation Dogs“ auf Disney+: California Dreamin‘ in Oklahoma (Kritik)


Mit viel Humor, entspannter Gangart und ernsten Untertönen zeichnen Taika Waititi und Sterlin Harjo in ihrer Comedy-Serie den Alltag von vier Native-American-Teenager*innen im ländlichen Oklahoma nach – wichtig hinsichtlich kultureller Repräsentation, sehenswert noch dazu.

Autos, Kupferdrähte, Steaks, Edibles, die einer alten Dame aus medizinischen Gründen verschrieben wurden: Nichts ist sicher vor den diebischen Teenager*innen Bear (D’Pharaoh Woon-A-Tai), Elora (Devery Jacobs), Willie Jack (Paulina Alexis) und Cheese (Lane Factor) in ihrer ländlichen Heimatstadt in Oklahoma. Die stümperhaft ausgeführten Delikte der „Rez Dogs“-Gang sorgen hier zwar nicht für Angst und Schrecken, aber immerhin für Unannehmlichkeiten und mildes Kopfschütteln. Das so zusammengesparte Geld wollen die vier in ihren spärlich ausgearbeiteten Plan investieren, nach Kalifornien zu ziehen und dem Reservatsleben im öden Oklahoma für immer den Rücken zu kehren.

Coming-of-Age mit Fokus auf authentischer Repräsentation

Diese Erzählprämisse mag nicht komplex anmuten, aber „Reservation Dogs“, für den amerikanischen Pay-TV-Sender FX kreiert, ist in vielerlei Hinsicht ein Novum: Es ist die erste Serie, die ausschließlich von Indigenen konzipiert, geschrieben und produziert wurde, allen voran vom Neuseeländer und Māori-Nachfahren Taika Waititi („What We Do in the Shadows“, „Thor: Tag der Entscheidung“), sowie Sterlin Harjo, der schon mehrere Spielfilme („Barking Water“, „Mekko“) über die Erfahrungen heutiger Native Americans hervorgebracht hat.

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Zudem beruht der Plot von „Reservation Dogs“ lose auf Harjos eigener, als Native verbrachter Jugend in Oklahoma und wurde ausschließlich in diesem Bundesstaat gedreht – hauptsächlich im Ort Okmulgee, der von der indigenen Volksgruppe der Muskogee verwaltet wird. Hiermit sowie mit dem hauptsächlich aus Native Americans zusammengesetzten Cast erhebt „Reservation Dogs“ den Anspruch auf eine wahrlich authentische Erzählung von und über Native Americans, die gegenwärtig etwa zwei Prozent der US-Bevölkerung ausmachen und eine filmische Repräsentation außerhalb von Historienfilmen und Western entsprechend selten erleben.

Belustigende Großspurigkeit und harsche Realitäten

Im stetigen Wechsel zwischen ländlich Stillleben, schnell geschnittenen Heist-Szenen und beschaulichen Kleinstadt-Momenten skizzieren die knapp 25-minütigen Episoden von „Reservation Dogs“ den Alltag der Rez Dogs, den diese als trist und perspektivlos empfinden und mit ihren kleinkriminellen, aber großspurig inszenierten Machenschaften beleben. Zu ihrem Glück ist der zuständige Polizist Big (Zahn McClarnon, bekannt aus „Westworld“ und „Bone Tomahawk“) ein sehr behäbiger Ermittler, dessen intensives Stirnrunzeln selten Erhellendes nach sich zieht. Doch Gefahr lauert anderswo: Eine neu formierte Teenie-Gang, die „NDN Mafia“, eröffnet bald per Drive-by-Shooting den Revierkampf gegen die Rez Dogs. Bei diesem brutalen Paintball-Angriff sinkt Bear, der sich zur Belustigung aller als Anführer der Rez Dogs begreift, so dramatisch zu Boden wie einst Willem Dafoe in „Platoon“, bevor ihm in einer Vision der erfolglose Krieger William Knifeman (Dallas Goldtooth) den rechten Weg weist (oder es zumindest versucht).

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An Comedy-Einlagen wie diesen lässt sich sehr klar Waititis Einfluss ablesen, der vor seinen Blockbuster-Ausflügen mehrfach sein Händchen für außergewöhnliche Coming-of-Age-Komödien wie „Boy“, „Hunt for the Wilderpeople“ und „Jojo Rabbit“ unter Beweis gestellt hat – mitsamt den vielen Bezügen zur Popkultur der 1980er und 90er, sowie kauzigen Erwachsenenfiguren, die sich kaum als Vorbilder eignen (hier etwa Comedians wie der großartige Bill Burr als Basketballcoach/Fahrlehrer und Bobby Lee als dauergenervter Allgemeinarzt).

Doch wie in den genannten Filmen sind auch in „Reservation Dogs“ belastende Lebensumstände nicht fern. Fast alle der Rez Dogs wachsen in instabilen Familienverhältnissen auf: So hat Bear seinen Vater (einen abgehalfterten Gangsta-Rapper, der sich Punkin Lusty nennt und über frittierte Brote reimt) seit Jahren nicht gesehen, während Elora ihre Mutter schon als Dreijährige verloren hat. Zudem betrauern die Vier den ein Jahr zurückliegenden Tod ihres Freundes Daniel, der eine schmerzhaft klaffende Lücke in ihrem Freundeskreis hinterlassen hat. Im weiteren Verlauf finden auch Themen wie die unter Native Americans überproportional auftretenden Suchterkrankungen, psychischen Probleme und hohen Suizidraten Eingang in die Serie, wenn auch sachte und ohne den auf Freundschaft und Heranreifung zentrierten Plot zu überlagern.

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Freundschaftsproben und Reifeprüfungen

Beides wird schließlich am Ende dieser ersten Staffel auf die Probe gestellt, als es mit den Plänen von einem Leben in Kalifornien tatsächlich ernster wird: Während Bear aufgrund seiner Visionen zunehmend damit hadert, seine Community im Stich zu lassen, will Elora von der geplanten Flucht vor der als schmerzhaft empfundenen Gegenwart in Oklahoma nicht ablassen. Und so unaufdringlich, witzig und relaxed diese acht Episoden von „Reservation Dogs“ auch daherkommen, so unvermittelt sind die Figuren einem schließlich ans Herz gewachsen, dass man ihnen zu gern beim weiteren Erwachsenwerden zuschauen möchte. Wie gut, dass die zweite Staffel schon beauftragt ist und voraussichtlich 2022 erscheinen wird.

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Die 8 Episoden umfassende erste Staffel von „Reservation Dogs“ ist seit dem 13. Oktober 2021 auf Disney+ erhältlich.