Austin Festival :: Austin, Opera House

Daß Austin eine vitale Rock-Szene beheimatet, hat sich inzwischen weit über die Grenzen von Texas herumgesprochen. Nun schon zum sechsten Mal hatte der „Austin Chronicle“, wichtigster Multiplikator für die lokale Musikszenerie, seine Leserschaft zur Urne gebeten, um Preisträger in insgesamt 45(!) Kategorien zu ermitteln.

An einem gewittrigen März-Abend stand die Preisverleihung an: alle abkömmlichen Erstplazierten hatten sich im altehrwürdigen Opera House eingefunden, um vor dem überdimensionalen Lone Star-Banner ihre Auszeichnung entgegenzunehmen. Und damit das Ganze nicht zur reinen Nummern-Revue geriet, wurde ein attraktives musikalisches Rahmenprogramm aufgeboten. Ganz bewußt will man sieh so auch abheben von einer Veranstaltung wie den L. A. Grammys, die längst zum selbstgefälligen Business-Showcase verkommen und nunmehr nur noch als Ausgangspunkt für diverse Plattenfirmenparties von Bedeutung sind.

Plattenfirmen gibt’s in Austin eh kaum, gefeiert wurde trotzdem mehr oder weniger kräftig: Alles was am bulligen Türsteher vorbeikommen konnte,

labte sich hinter der Bühne an Chili, Chips und Faßbier, das zahlende Publikum ließ es sich vor derselben gutgehn.

Auf die Grammys war man ohnehin nicht gut zu sprechen: Hatte es doch Jeff Beck, dieser Hundesohn, tatsächlich geschafft, dem nominierten Austin-Troß „Big Guitars From Texas“ den Grammy in der Rubrik „Best Rock Instrumental Performance“ streitig zu machen …

„They’re the best …“ Der Tonfall der Austin-Lady ließ eigentlich keinen Widerspruch zu, trotzdem wage ich es: „Really…?!“ Ein strenger Blick trifft mich aus zwei wunderhübschen Augen. „Guck dir nur den Gitarristen an, er ist sooo sexy …“ insistiert sie.

Die Begehrlichkeiten der jungen Dame gelten Jon Dee Graham, seines Zeichens Gitarrist bei den True Believers, die zur besten „Roots-Rock Group“ gekürt wurden. Das Quintett um die beiden Escovedo-Brüder Javier und Alejandro, der vorher u.a. bei Rank & File tätig war, bietet hochenergetischen Gitarren-Rock, versehen mit einer Prise Country und einem kräftigen Schuß R&B-eine Mischung, die sie schon ins Vorprogramm von Los Lobos katapulierte und auch in Europa nicht chancenlos sein sollte.

Den Clou heben sie sich bis zum Schluß auf: Unter frenetischem Beifall entert Psychedelic-Veteran Roky Erickson die Bühne und gibt, begleitet von den True B’s. einige Highlights aus einem eigenen Repertoire zum Besten, darunter ein hervorragendes „Starry Eyes“.

Nächster Programmpunkt: Joe „King“ Carrasco. Der Tex-Mex-Rocker hat eine neue Mannschaft um sich geschart, die „Las Nuevas Coronas“. Mit dabei u.a. Gitarrist Bohby Balderama, der einst seine Brötchen bei Question Mark & The Mysterians verdiente. Deren Klassiker „96 Tears“ bildete einen der Höhepunkte in einer furiosen Tex-Mex n‘-Trash-Revue, die leider viel zu schnell zu Ende ging.

Als Alleinunterhalter bei der eigentlichen Awards-Verleihung hatte sich inzwischen Dino Lee, selbsternannter „King Of White Trash“, hinreichend profiliert. Lees Humor ist wie Kaugummi mit viel Farbstoff -— zehn Minuten erfrischend, danach zunehmend geschmacklos(er). Warum Jeff Beck den Grammy eingeheimst hat? Dino weiß die Antwort: „Blow By Blow habe er sich eben bei den Juroren vorangearbeitet …

Nach dieser Episode wurde die Bühne für Joe Ely angerichtet, der ebenfalls mit einer neuformierten Band antrat, darunter am Saxophon Keith Richards-Intimus Bohby Keys. Ely hatte erhebliche Probleme mit dem Bühnensound: Bei seiner „The Wanderer-Coverversion wirft er wütend das Mikro weg, läßt eine verdutzte Band auf der Bühne zurück und macht erst weiter, nachdem die Roadies noch einmal die Monitore durchgecheckt hatten. Ely, schon längst nicht mehr als Country-Rocker klassifizierbar, kann mit dem gesunden Schuß Arroganz des jugendlichen Halbstarken lostoben und schon im nächsten Moment herzerweichende Balladen a la „Where ls My Love“croonen.

Weit nach Mitternacht kam schließlich noch der Blues zu seinem Recht: Begleitet von der Antones Hausband bestritt Angela Strehli, in diesem Jahr bereits zum vierten Mal zur Top-Vokalistin gekürt, das Hauptprogramm; dazu gesellten sich Marcia Ball und Sarah Brown, deren „Four Hours Sleep“ den Award für die beste Texas-Single zugesprochen bekam. Mehr als vier Stunden Schlaf benötigte offensichtlich das Publikum, denn zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Reihen doch schon erheblich gelichtet. Lou Ann Barton, auf die viele gewartet hatten, mußte ohnehin wegen Krankheit kurzfristig absagen.