Beck

Modern Guilt

Neues vom Bummelanten: Herr Hansen findet zurück auf den Herzweg zum Pop.

Als One-Hit-Wonder bezeichnet Beck wohl keiner, der sich für Popmusik über das regelmäßige Anschauen von „Charts-Shows“ hinaus interessiert. Und doch ist „Loser“ an Beck kleben geblieben wie ein unveränderliches Kennzeichen. Der Slackersong. Vom Slackertypen. (Slacker = „Bummelant“) Und auch wenn der Mann zwischendurch mal seinen Funkheimer bekommen hat (Midnite vultures, 1999): Beck hat das Image des Schluffis bei aller zuweilen fast avantgardistischer Experimentierfreude und Wildheit im Detail immer gepflegt. Oder, wahrscheinlicher noch: Der ist einfach so – beweglich im Kreativzentrum vom Oberstübchen, ein wenig behäbig in der Aus- und Aufführung.

Das kann es also nicht gewesen sein, was Menschen, die Beck vor allem im Zuge seiner letzten beiden Alben das Vertrauen entzogen haben, zu solch Pop-eiligen Schlüssen motivierte. Es bleibt auch zwei bzw. drei Jahre danach schwierig, den Finger in die Wunde zu legen. An Ideen, feschen Grooves, eklektischen Leckereien hat es eigentlich nicht gemangelt. Vor allem das lateinamerikanische Marktstraßenfeeling von Guero brachte Frische. Und trotzdem kein Verlangen, diese Musik öfters zu hören. These: Genau daran hat es gefehlt – Beck selbst hat zu wenig Verlangen gezeigt. Vor allem The Information wirkte sogar etwas lieblos.

Aber lassen wir, was gestern war. Die erfreulichste aktuelle Nachricht zu Beck steht über diesem Artikel, in großen, roten Buchstaben. Und einmal im Jahr soll das ein jeder ME-Autor ungestraft schreiben dürfen: „Er hat zur alten Form zurückgefunden!“ So schaut’s nämlich aus. Wie groß dabei der Einfluss des Produzenten Brian Joseph Burton alias Danger Mouse eingeschätzt werden darf, bleibt ein Rätsel. Zwei Rätsel sogar, l. Ein Beck-Rätsel: Herr Hansen hat ab „Loser“ immer den Dienst einflussreicher Produzenten beansprucht. Er ist darauf angewiesen. Aber: Wie sehr? 2. Ein Danger-Mouse-Rätsel: Eindeutige Spuren hinterlässt der nicht, außerdem spricht der Mann ja fast nicht über seine Arbeit (schon gar nicht liegt er einem, wie Kollegen Pharrell und Timbaland, monatelang in den Ohren damit, dass er auch Rockplatten produzieren möchte; er tut es einfach – im Zweifel besser).

Nun, modern guilt klingt sehr gut. Sehr dynamisch, ein wenig krachig, latent verzerrt, unsauber, wie von der Geißel Dolby befreit. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Beck für angenehm kompakte und knackige knappe 34 Minuten zehn äußerst kurzweilige Popsongs komponiert und zusammengebastelt hat, die durch ihren Abwechslungsreichtum in Sachen Stil und Stimmungen genauso zu überzeugen… nein, besser: unterhalten wissen wie durch die spürbare Lust am Pop. Wie bei Beck üblich, erschlägt einen auch Modern guilt mit Anspielungen und Zitaten. Wenn man das zulässt und sich in Erinnerungen und im Plattenschrank kramend den Kopf zerbricht über die ganzen Beach Boys, Beta Bands, Byrds, Bob Dylans, Beastie Boys, Buggles, die hier so vorbei kommen. (Und die jetzt mal nur, weil sie gleich neben Beck im… Sagt mal, welcher Depp hat denn hier diese Dylan-Platte einsortiert?!) Aber das ist eben sein größtes Talent, in einer wieder lebendigeren Schaffensphase, wie er sie offensichtlich augenblicklich erlebt: Mit all der Geschichte, all den Optionen, all diesem Glockenspiel und Jazzbass und all diesem Phil Spector, Vibratogitarren und psychedelischen Chören, Bluesphrasen, Breakbeats und REVOLVER-Beatles usw. verspielt, gerne auch ein wenig verspult umgehen und doch mit zielgerichteter Ernsthaftigkeit beim Song bleiben. Die ist heute sogar noch ein wenig größer als bei O delay oder Mutations: Unsere kalifornische Mischmaschine wird auch nicht jünger und lernt offensichtlich mit ihren Mitteln haushalten. Mit folgendem Ergebnis: Unter zehn Songs ist kein Experiment, kein Ausreißer. Und kein einziger Nichthit. »>

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