Brad Mehldau – Largo

Zuerst hielten ihn alle nur für einen der vielen Bill Evans-Adepten, die die US-Musikhochschulen in den frühen Neunzigern hervorbrachten. Dann ließ Brad Mehldau im Quartett von Joshua Redman immer deutlicher erkennen, dass mehr in ihm steckt. Mit seiner Serie ART OF THE TRIO hat sich der junge Amerikaner, der immer wieder über längere Zeit in Europa lebt und ein bekennender Fan deutscher Dichter und Komponisten, aber auch von Radiohead ist, seit 1997 aus dem Evans-Schatten herausgespielt und als wichtigster jüngerer Jazzpianist neben Cyrus Chestnut und Jacky Terrasson etabliert. Mehldau ist ein Musiker mit einem umwerfend vielfältigen Vokabular, dessen Quellen weit über den Jazz hinausgehen, und ein Ausnahmetalent, was seinen melodischen Erfindungsreichtum angeht. Allerdings gilt er auch als schwieriger, introvertierter und grüblerischer Typ, vor einigen Jahren kursierten zudem Gerüchte, er sei schwer heroinabhängig. Das neue Album, bei dem Multiinstrumentalist und Produzent Jon Brion (u.a. tätig für Aimee Mann, Fiona Apple, Rufus Wainwright, Macy Gray, Badly Drawn Boy) Mehldaus wichtigster Partner war, wirkt in der Tat wie das Werk eines innerlich zerissenen Genies. Da wechseln sich schwelgerische Klavier-Romantizismen ab mit harschen atonalen Passagen, da treffen aggressive programmierte Beats auf Akustik-Bass-Linien und swingendes Jazzpiano, und abstrakte Kühle auf Momente voll warmer Harmonie. Kernstück und in seinen Kontrasten typisch für dieses Album ist Mehldaus neunminütige Interpretation des Radiohead-Songs „Paranoid Android“. Sie beginnt mit impressionistischen Klängen, in die dann ein akustisches Schlagzeug mit angedeuteten Dancegrooves hineinfährt. Nachdem Bass, Schlagzeug und Piano mit immer perkussiveren Phrasen eine Art Klimax aufgebaut haben, tauchen sie für einige Minuten wieder ganz in stille Harmonie ein, im Hintergrund von Bläsern sacht untermalt, um zum Finale noch ein kurzes rhythmisches Furioso zu entfachen. LARGO ist ein schwerer Brocken, oft spannend, mitunter aber auch konfus.

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