Album der Woche

Danny Brown

STARDUST

Warp/Rough Trade (VÖ: 7.11.)

Auch auf seinem sechsten Album bleibt der HipHop-Experimentalist stolzer Außenseiter – und zieht die nächste Generation mit hoch.

Ich erinnere mich genau daran, wie ich zum ersten Mal einen Track von Danny Brown hörte. Es war wahrscheinlich 2011, ich hörte das Mixtape XXX – und war fasziniert und begeistert von diesem Falsett, von diesem weirden Sound, der sich nicht an den Zeitgeist anschmiegte, sondern völlig selbstverständlich seine eigene Welt baute, zwischen „Adderall Admiral“ und „Blunt After Blunt“. Dann folgte „Grown Up“ 2012, diese Monstersingle voller Humor und Leichtigkeit. Wo Kendrick Lamar das Trauma verarbeitete, wirkte der Rapper aus Detroit wie sein humorvoller, wenn auch nicht minder in die Düsternis abtauchender Gegenpol. Dass die beiden Rapper, die ungefähr gleichzeitig ihren Durchbruch feierten, seitdem eng verbandelt sind, sollte nicht wundern: So unterschiedlich sie sind, so sehr ähneln sie sich darin, dass sie ganz selbstverständlich eine ganze eigene Klasse bespielen.

Nur war die von Danny Brown nie die ganz, ganz große Bühne. Statt die Halbzeitshow der Superbowl zu spielen, macht er heute aus Austin, Texas, eine Comedy-Radioshow, er veröffentlicht seine Platten seit ATROCITY EXHIBITION, dem dritten Streich, beim britischen Elektronik-Indie Warp Records, wo sonst Aphex Twin oder Squarepusher zu Hause sind. Und mit seinem sechsten Soloalbum STARDUST beweist er wieder, warum er auch genau in diesem Umfeld zu Hause ist: Seine Chamäleonhaftigkeit ist hier wieder auf volle Pulle gedreht, und jeder Song scheint eine andere Facette seines Könnens als Rapper herauszustellen. Das altbekannte, hyperaktive Falsett. Der Storyteller. Der technisch versierte Rhymemaster, für den Doubletimes noch die geringste Herausforderung darstellen. Und alle Identitäten dazwischen und außerhalb.

Mit STARDUST zeigt Danny Brown, wie diese Weisheit in Rap übersetzt klingen kann

Dabei ist er aber nicht alleine: Auf so gut wie jedem Track, bis auf das fantastisch-überdrehte „Starburst“ und den Clubbanger „Lift You Up“, kooperiert er mit unterschiedlichsten Underground- und Nachwuchskünstler:innen: Frost Children aus Missouri auf „Green Light“, die Hyperpop-Prinzessin Underscores auf „Copycats“, die ukrainische Künstlerin Ta Ukrainka und die Australierin Zheani auf „The End“.

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Kaleidoskopisch dreht sich STARDUST immer weiter, immer höher, bevor es im verträumten „All4U“ mit Jane Remover endet – im Zentrum aber immer Danny Brown wie ein Impresario und Kurator der unterschiedlichen Soundwelten, die von ihm und seinen Bars zusammengehalten werden, der mit Drum’n’Bass und Jungle, Hyperpop, Golden Age of HipHop und Noise herumspielt und alle Genres und Disziplinen ineinander laufen lässt zu einem einzigartigen Ganzen, irgendwo zwischen unbehandeltem ADHS, Gegenwartsbewältigung, Experimentalkunst und richtig großem Spaß.

Auf dem Vorgänger QUARANTA verarbeitete Brown mit Anfang vierzig seine Dreißiger und vor allem seine neue Nüchternheit. Auf STARDUST beweist er, dass die seiner Kreativität nicht nur nicht abträglich ist, sondern sie in ganz neue Sphären katapultieren kann. „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, heißt es in Nietzsches Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“. Mit STARDUST zeigt Danny Brown, wie diese Weisheit in Rap übersetzt klingen kann.

Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 12/2025.