Das Weeth Experience – Aural Scenic Drive
Selten hat ein Cover so zur Musik einer Platte gepaßt wie in diesem Fall: Eine nächtliche Szene auf der Autobahn. Rücklichter und die blendenden Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge. Die Augen starren halb abwesend in die Ferne. Irgendwann verwischen die Konturen, bilden eine Einheit. Langzeitbelichtung, die Dinge fließen, greifen ineinander. Darin sind die Hamburger vom Weeth Experience mittlerweile eine Klasse für sich. Anfangs noch als Neil Young-Verehrer und -Epigonen belächelt, haben sie sich diesmal Zeit gelassen und am Sound gefeilt. Immer ausgefranster ist dieser geworden, weiter, weitläufiger, hat die Regeln der Rockmusik mehrfach hinterfragt, aufgebrochen und ist mittlerweile so gefestigt, daß sich keiner mehr wundert, wenn Giant Sand, Hazeldine oder Calexico sich mit diesen Krauts liebend gerne die Bühne teilen. Der Song kommt bei ihnen mittlerweile von weiter hinten um die Ecke geschlichen. So läßt sich „Back With A Lie“ gute fünfeinhalb Minuten Zeit, bis ein versöhnender Refrain die lange anschwellende Spannung auflöst. In „Tumbleweeth“ trifft eine Tremolo-Gitarre mit Sombrero-Hut auf dubby Minimal-Percussion. Überhaupt diese Gitarre. Hat schon mal jemand gemerkt, daß wir hier mit Christof Jessen einen unglaublichen Gitarristen haben, der nicht die großen Meister kopiert, sondern seine eigenen Bahnen zieht? Sein Vorteil: er weiß genau, wann er sich zurückziehen muß, und so nervt er nicht mit ekstatischem Genudel, sondern bastelt an Sounds, Einstellungen, Verzerrungen und Rhythmen. Etwa die Hälfte der Stücke kommt deshalb bestens ohne Gesang aus. Den Höhepunkt der Platte bildet das elfminütige „Cleaning UpThe Universe/Against The Wall“, ein Koloß an Sound, der ganz langsam nach mehreren Überlagerungen und Ausweichmanövern in einen pulsierenden Drive gerät, wie ihn Yo La Tengo manchmal aufzubauen pflegen. Groß, ganz groß.
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