Franz Ferdinand – You Could Have It So Much Better :: Die Lust an der Banalität

1. Das schwierige zweite Album ist nur dann schwierig, wenn einem die Auswirkungen des ersten den Boden untern den Füßen weggezogen haben. Bei Franz Ferdinand war das nicht der Fall. Sie tänzeln es einfach aus, alle Muskeln auf Spannung, ausgestattet mit flamingogleichem Balancevermögen. Trotzdem erstaunlich, wie die das machen, wie mit links und Selbstvertrauen, genug für zwei dralle Satteltaschen an lohn Waynes Gaul. Schließlich war von Anfang an gehörig an ihrem Fundament gerüttelt worden. Das Debüt: eine Popsensation. Die Leute: begeistert. Doch Franz Ferdinand sind eben nicht die Stone Roses 1990. Und nicht die Subways 2005. 2. Gestern noch Nachricht, heute eine Binsenweisheit: Franz Ferdinand sind clever. Und wenn sie nicht auch noch eine diebische Freude an der Entfesselung der Dinge zu ihren guten Eigenschaften zählen könnten, gerönne ihre Musik vielleicht schnell zu einem bleiern-akademischen Vergnügen. Die beiden herausragenden Eigenschaften dieser Platte sind: Sie ist tatsächlich noch ein wenig cleverer als das ohnehin schon Haken schlagende, mit Tempowechseln aufregende, Popzitate im Galopp fallen lassende Debüt. Aber sie rockt auch noch doller, schüttet Benzin ins Feuer unter unseren Hintern und klopft den Offbeat aus dem alten Teppich Indierock. 3. Wer im Rock’n’Roll Scheu verspürt vor der Lust an der Banalität, sollte sich besser eine andere Betätigung suchen. Obwohl You Could Have It … seine wahren Absichten, also: Hits (am Ende sind es vermutlich 13 von 13, wie es auf Franz Ferdinand letztlich elf von elf waren) bei den ersten Dates ein wenig besser versteckt als sein Vorgänger, geben die Schotten dem Affen doch ordentlich Zucker. In Form von Freibeuter-Chören z.B., die sie direkt aus Adam Ants Piratenhöhle stibitzt haben; mundgespitzten „Dü-Düi’s“und andere Umlaut-Bekundungen, die Nick McCarthy in seiner bayerischen Jugendzeit bei der Spider Murphy Gang aufgeschnappt haben könnte; und immer wieder diese Ranschmeißer-Riffs, die in ihrer gnadenlosen Schlichtheit leugnen, daß es auch schon Bands wie Gang Of Four gegeben hat, die ihre Nägel in solcherlei kreuz und quer hinein getrieben haben. 4. Franz Ferdinand können sich ausdauernd an sich selbst erfreuen, aber mit der Selbstwahrnehmung hapert es deshalb noch lange nicht so wie bei Coldplay. Chris Martin schwadronierte und schwärmte vor Veröffentlichung von X&Y ausgiebig von Kraftwerk und anderen fremden Kraftfeldern, um dann mit einer Platte ums Eck zu kommen, die vor allem durch ihre erschütternde Mittelmäßigkeit und Phantasielosigkeit auffiel. Auch Kapranos und Gesellen schwadronierten ausgiebig über ihr neues Werk, und auch sie erzählten von neuen Versuchen und Versuchungen. In der Außensicht zeigt sich aber auch hier, daß „neu“ und „anders“ im Inneren des Produktionsbetriebs offensichtlich different wahrgenommen werden. Denn You Could Have It So Much Better ist zuallererst typisch Franz Ferdinand. So typisch, daß man heute schon der Illusion erliegt, diese Musik begleite einen das halbe Leben lang. Aber – und das ist eben der Unterschied zur Dampfplauderei von Bonos Ziehsohn: Es gibt tatsächlich Neues. Stilübungsklar und unüberhörbar vor allem in zwei feinen Britpop-Balladen auf Piano-/Akustik-Gitarre-Basis, die den Blur von Modern Life Is Rubbish zurück zu den Kinks folgen. 5. Diese Platte kann einen zum Wahnsinn treiben. Unentwegt befeuert einen vor allem die Leadgitarre mit Melodien und Notenlinien, die wie mit dem Skalpell aus Pop-Erinnerungen geschnitten wurden. Dank der wahren Zitatwut von Franz Ferdinand fühlt sich der Zuhörer wie ein apportierfreudiger Terrier, dem die Stöckchen in alle Richtungen nur so um die Ohren fliegen. Deshalb ein kleiner Wettbewerb: Wer mir die meisten den Dieb überführenden Fußnoten zu You Could Have It… zukommen läßt, für den lasse ich mir ein kleines Geschenk einfallen. Blondie, Rolling Stones und die Titelmelodie zu „Ein Colt für alle Fälle“ hab ich schon. VÖ-4.10.

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