Good Will Hunting :: Aufwühlend
Will Hunting ist ein wandelnder Widerspruch – und er weiß es. Jeden Abend zieht er mit seinen Kumpels im irischen Viertel von Boston los, zieht sich ein paar Bier rein, redet Blödsinn und geht keiner Keilerei aus dem Weg – zu Hause verschlingt er, schneller als man „Budweiser“ sagen kann, ein wissenschaftliches Buch nach dem anderen. Tagsüber hilft er seinem besten Freund Chuckie auf dem Bau oder wischt die Böden der Universität – zu Hause löst er im Handumdrehen die schwierigsten mathematischen Aufgaben. Kurz gesagt: Will Hunting, als Kind vom Vater geprügelt und in Heimen aufgewachsen, ist ein Genie, gibt aber keinen Pfifferling darauf. Er ist vorlaut, arrogant und fühlt sich vor allem in Gegenwart seiner Prolokumpels wohl. Von der Erweckung dieses faszinerenden Typen, vom Knacken seiner Muschelschale handelt GOOD WILL HUNTING – und das ist mitreißender, bewegender und amüsanter, als es eine bloße Inhaltsangabe je vermitteln könnte. Nicht das Was, sondern das Wie macht den Film zu einem der unerwarteten Highlights in diesem Kinofrühjahr. Er ist auch hinter der Kamera eine Success Story: Idee, Geschichte und Drehbuch stammen von den beiden gemeinsam in Boston aufgewachsenen Freunden und Jungstars Matt Dämon („Der Regenmacher“) und Ben Affleck („Chasing Amy“), die auch die beiden Hauptrollen des Will (Damon) und des Chuckie (Affleck) spielen. Sie haben es sich in der Konstellation der Figuren ein wenig leicht gemacht, und manches wirkt auch ein bißchen zu cool, zu wissend, um zu überzeugen, aber die Handlung will auch gar nicht überraschen. GOOD WILL HUNTING funktioniert so wunderbar, weil ihre Gespräche, Gedanken und alltäglichen Sorgen so echt wirken, weil man diese Typen aus der eigenen Nachbarschaft kennt. Regisseur Gus Van Sant hat eine Karriere daraus gemacht, rebellischen Jugendlichen filmisch eine Stimme zu geben.- Schon in „Drugstore Cowboy“, „My Private Idaho“ und zuletzt „To Die For“ sang er das Hohelied auf Kids am Rand der Gesellschaft: Junkies, Stricher, Rüpel. Und hier kann er aus dem Vollen schöpfen. Wie er jede Szene vor Authentizität knistern läßt, wie er aus diesem simplen Stoff eine Hymne an den kleinen Mann macht, das ist große Klasse. Bisweilen vergißt man fast, daß da eine Kamera zusammen mit den Schauspielern im Raum stand: Robin Williams ist herzergreifend und voll stiller Zurückhaltung in seiner Rolle als emotional ebenfalls tief vernarbter Professor, dem es gelingt, die Freundschaft und das Vertrauen des jungen Genies zu erringen. Es ist ein harter, aufwühlender Kampf, ebenso wie Wills nur zögerlich aufblühende, fragile Romanze mit der Harvard-Studentin Skylar, von Minnie Driver phänomenal gespielt: Ihre Liebesszene gehört schon jetzt zum bewegendsten, was das Kino 1998 zu bieten hat. Ben Affleck gefällt sich indes ein wenig zu gut in der Rolle des spuckenden und rülpsenden Prolls Chuckie. Bliebe noch Matt Damon, eine genetische Kreuzung aus Mark Wahlberg und Leonardo DiCaprio, der sich mit dieser einen Rolle zum Star katapultiert. Da stört es nicht, daß man tief im Herzen schon in der ersten Einstellung des Films ahnt, wie er ausgeht. Der Weg ist das Ziel. Und dieser Weg ist ein Erlebnis.
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