Es gibt Lehrer, die haben schlimmere Hobbys als Robert Pollard. Der Mann aus Dayton, Ohio, gründete 1985 eine Band, die er so lange in seiner Freizeit betrieb, bis das Album bee thousand ihm und seiner Band 1994 die 15 Minuten Ruhm brachten, die laut Andy Warhol jedem Menschen zustehen. Das war auf dem Höhepunkt des Alternative Music Hypes. Die Mainstream-Medien kamen auf einmal an einer Band wie Guided By Voices nicht mehr vorbei, Pollard und Kollegen hatten die richtigen Fans auf ihrer Seite IThurston Moore, Kim Deal) und Lollapalooza und das ganze Indie-Zeugs im Rücken. Guided ByVoices ist vielleicht eine der zehn Bands, auf die das im Rock-Kontext zum Unwort verkommene Adjektiv „kompromisslos“ angewendet werden darf. Ihre ersten Alben nahmen sie mit Bilüg-Equipment in der Garage auf, und auch ihre späteren klangen angenehm sympathisch nach Waschküche. Das, was Rob Pollard (Gesang, Gitarre), sein Bruder Jim (auch nach seinem Ausscheiden Ende der achtziger Jahre noch als Songwriter für die Band tätig), Tobin Sprout (Gitarre) und ihre wechselnden Sidemen in manischer Arbeitswut auf Platten veröffentlichten, war schwerer Gitarrenrock mit Psychedelik-Einschlag, in den sich schon mal eine Beatles-Melodie verirren durfte, kurz: eine Musik, die heute in Verruf geraten ist, weil sie durch ein ganzes Heer von Epigonen kommerzialisiert und banalisiert wurde. Während die Alternative-Rocker der zweiten Generation Erfolge feiern, klebt an Guided By Voices auch noch fast 20 Jahre nach ihrer Gründung der Geheimtipp-Button. In der öffentlichen Wahrnehmung spielten sie immer in der zweiten Indie-Liga. Ein Schicksal, das Zeit- und Soundgenossen wie Pavement oder Sebadoh erspart blieb. Wie Indie aber ist eine fette 5-CD-Box plus DVD? Rob Pollard scheint besessen zu sein von der Idee, jede Note, die Guided By Voices jemals aufgenommen haben, für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Jahr 2000 erschien das 4er-Set suitecase mit 100 unveröffentlichten Songs. Und jetzt – ohne Überschneidungen zur ersten Box hardcore ufos mit weiteren 129 unveröffentlichten oder rar gewordenen Tracks. CD 1, HUMAN AMUSEMENTS AT HOURLY RATES ist eine (auch separat erhältliche) 32-Song-„Best of“. demons and painkillers Und DELICIOUS PIE & THANK YOU FOR CALLING enthalten Songs von gestrichenen Singles und B-Seiten sowie unveröffentlichte Aufnahmen. LIVE AT THE WHEEL CHAIR RACES kommt mit 32 unveröffentlichten Liveaufnahmen der Jahre 1995 bis 2002. Die fünfte CD präsentiert die ’86er Debüt-EP forever since BREAKFASTzum ersten Mal auf CD. Und die DVD watch me jumpstart featured die 105-minütige Dokumentation von Banks Tarver mit einigem Zusatzmaterial (z.B. fast alte GBV-Video-Clips), das auf der vor Jahren veröffentlichten VHS-Kassette nicht enthalten ist. Wie gesagt, es gibt schlimmere Hobbys für Ex-Lehrer als das Schaffen der eigenen, manisch arbeitswütigen Indie-Band zu dokumentieren. Zum Beispiel „Showmaster“ im deutschen Fernsehen.