Hardrock
Nostalgie ist Trumpf. Wer erinnert sich nicht noch gern an den Mega-Hit „You Ain’t Seen Nothin‘ Yet“. der einen Anfang der 70er Jahre auf Schritt und Tritt verfolgte. BTO, Bachmann-Turner-Overdrive. so der Name der Band, stürmten damals im Stechschritt sämtliche Charts dieser Erde. Jeder kannte sie. jeder tanzte zu ihren simplen Rhythmen, bis die waschechten Kanadier dann eines schönen Tages spurlos in der berühmten Versenkung verschwanden.
Nun sind sie wieder da. Randy Bachman, Gitarre & Gesang. C. F. Turner, Baß, sowie Tim Bachman. Rhythmusgitarre, Gary Peterson on drums und Billy Chapman am Piano melden sich anno „86 mit einem brandneuen und überraschend kompakten LIVE-LIVE-LIVE-Album (Intercord)zurück.
Und natürlich sind neben „You Ain’t…“ auch die anderen Single-Erfolge wie „Hey You“,“.Takin‘ Care Of Business“ und „RoU On Down The Highway“ auf diesem Vinyl-Revival vertreten. Stilistisch hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert. Noch immer ist der Holzfäller-Rock, eingängige Melodien, rauhe Gitarren-Riffs, dazu Randys unverwechselbare Reibeisenstimme ihr Markenzeichen. BTO ’86: Musik von gestern für Hörer von heute. (4)
Wesentlich kommerzieller als sonst präsentieren sich Triumph, das Hardrock-Trio aus Kanada, auf THE SPORT OF KINGS (WEA). Auch sie haben die Zeichen der Zeit richtig gedeutet und stellen die Qualität des Songs über die Virtuosität des Musikers. Selbst Gitarrist Rik Emmett. der früher mit Vorliebe aus der Reihe tanzte, um sich in selbstgefälligen Endlos-Soli zu ergehen, fügt sich diesmal dem Diktum.
Zum Vorteil des Ganzen, wie die insgesamt 11 Songs eindrucksvoll beweisen. Frisch, forsch und frei spielen sich Emmett, Levine und Moore ihre langjährigen Erfahrungen von der überaus intakten Leber. Nicht Bruder Zufall, sondern das Gespür der Drei für harte, trockene, bisweilen auch Keyboards-untermalte Melodien mit Charts-Appeal führt hier überzeugend Regie.
Ob „What Rules My Heart“ mit seinem leichtfüßigen, Scorpions-ähnlichen Gitarren-lntro oder das eher getragene „Play With The Fire“ — stets setzt man mit hörbarem Erfolg auf Abwechslung, Harmonie und Geschlossenheit und überrollt so am Ende, nach über 40 Minuten (!) Spielzeit, auch den hartnäckigsten Widersacher. Triumph ’86: Intelligenter Hardrock mit Pfiff. (4)
Etwas Rouge auf die Wangen, reichlich Gel in die gestylte Matte, das dekorative Stirnband straff, die Spandex-Hose hauteng und fertig ist die Glamour-Band. Cinderella, Newcomer aus den Staaten, die zur Zeit mit NIGHT SONGS (Phonogram) großes Aufsehen erregen, wissen genau, wie man sich mediengerecht in Schale werfen muß.
Dabei haben sie diesen Firlefanz überhaupt nicht nötig. Weitaus dynamischer als Mötley Crüe und heavier als Poison brennen Tom Keifer, Eric Brittingham. Jeff LaBar und Fred Coury ein Feuerwerk ab. das dem Metal-Freak ebenso wie dem Hardrock-Fan schwer in den Ohren liegt. (4)
Je großer der Erfolg, desto schwerer die Bürde, die jetzt auch auf Deutsehlands Metal-Hoffnung Nummer eins. Warlock, lastet. Bei BURNIN‘ THE WITCHES konnte man noch unbeschwert aufspielen und sich nach Herzenslust im Heavy Metal austoben: HELLBOUND orientierte sich mehr am traditionellen Hardrock – und TRUE AS STEEL (Phonogram), zugleich die erste weltweite Veröffentlichung, mußte nun endgültig die ganze Wahrheit ans Licht bringen: Sind die Warlocks schon reif für den Sprung in internationale Gewässer? Meine Antwort: Jein. Der Beweis: Die neue LP, die zwar verheißungsvoll anfängt, dann aber doch zunehmend verflacht.
Im einzelnen: „Mr. Gold“, der Opener, ist klassischer Hardrock, schnell, griffig und voller Biß. Doch bereits das nächste, „Fight For Rock“, offenbart die eigentliche Schwäche des Quintetts: Der Song verliert nach kurzer Zeit an Drive und damit auch die nötige Ausstrahlung.
Da können die beiden Gitarristen noch so furios treiben. Doro ihr mächtiges Organ noch so sehr strapazieren, das rechte Feeling. die Gänsehaut, will sich trotzdem nicht einstellen. Im Gegenteil: Selbst nach mehrmaligen Hörproben lautet das Urteil: ein mittelprächtiges Album, nicht mehr. (3)
Noch härter trifft es die Raben-Brüder aus England. Raven. Ihr neuestes Mini-Album. MAD (WEA). ist gelinde gesagt eine einzige Zumutung, allerdings auf fünf Songs verteilt. Nicht nur. daß der Sound unter aller Sau ist. auch sonst herrscht durchweg Ratlosigkeit im Lager von John und Mark Gallagher sowie Wacko! Sie fighten in typischer Speed-Metal-Manier und spielen (?) sich dabei um Kopf und Kragen. Jeder Song klingt gleich, ohne Anfang, ohne Ende — und in der Mitte gähnt ein riesiges Loch. Raven ’86: Metal zum Abgewöhnen. (1)
Alles in allem ein ansprechendes Debüt, das Aviator aus New York vorlegen. Ihr gleichnamiges Album (RCA), vom Autograph- Dokken-/ Queensryche-Produzenten Neil Kernon auf Radio-Bekommlichkeit zugeschnitten, bietet für jeden Geschmack etwas: mal poppig, mal rockig bis hart, die Mischung macht’s. So hält man sich die Tür gleich nach mehreren Seiten hin offen. Doch gerade das geht schließlich auf Kosten eindeutiger Akzente, die sie aus der Masse gleichartiger Produkte letztlich herausheben könnten. (3)
Ein böses Erwachen wird es auch für Vinnie Vincents INVASION (Ariola) geben. Das vorab vielgepriesene Debüt-Album des ehemaligen Kiss-Gitarreros ist nämlich alles andere als berauschend. Bis auf solch schneidige Songs wie „Back On The Streets“, „I Wanna Be Your Victim“ oder „No Substitute“ bewegt sich alles vornehmlich auf durchschnittlichem Hardrock-Niveau. Von einem individuellen Ansatz weit und breit keine Spur.
Sänger Robert Fleischmann, angeblich „ein Mann des Hardrocks“, versucht gewiß sein Bestes, singt selbst in höheren Lagen, was die KehJe hält, doch schließlich muß auch er vor Vinnies allmächtiger Gitarre kapitulieren. Wenn die ein Machtwort spricht, müssen die anderen schweigen.
Daß derlei Ego-Trips nicht nur lächerlich sind, sondern auch die Substanz der Songs zerstören, sollte er sich schleunigst hinter die Ohren schreiben. (2) Zum Abschluß der Hit-Pick des Monats: Sinner und COMIN‘ OUT FIGHTING (SPV). Zwei neue Gitarristen, ein renommierter Produzent (Chris Tsangarides — remember Thin Lizzys THUNDER AND LIGHT-NING), und Don Airey an den Keyboards, da kann eigentlich nichts schiefgehen.
Geht’s auch nicht! Nicht mehr ganz so heavy wie noch auf TOUCH OF SIN, dafür um etliches reifer, kompakter und in sich stimmiger liefern Matt und seine Mannen hier ihr Gesellenstück ab. Dagegen wirken die meisten einheimischen Produktionen nachgerade hausbacken und provinziell.
Allein die Gitarren-Arrangements verraten schon die Handschrift des Hardrock-Könners. Durchweg hochkarätige und kommerzielle Songs, die man auch jenseits hiesiger Grenzen so schnell nicht vergessen wird. (4)
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