Hole :: My Body The Hand Grenade

Vergessen wir für einen Augenblick alles Außermusikalische, was wir über Courtney Love wissen. Also, daß sie diese schreckliche heroinabhängige Rock-Bitch ist, die Kurt Cobain umgebracht hat (Die Mörderin!). Daß sie in den vergangenen drei Jahren – ohne auch nur einen einzigen neuen Song zu Gehör gebracht zu haben – auf ungefähr 200 Titelbildern (von „ADAC Motorwelt“ bis „Zillo“) zu sehen war (Die Diva!). Daß sie sich Silikonkissen in ihre Brüste implantieren ließ (die Pamela Anderson des Alternative-Rock!). Daß sie im Film diese unerhört schlampige Schlampenfreundin des unerhört provokanten Porno-Papstes Larry Flynt gespielt hat. Daß sie plötzlich keine Schlampe mehr ist. Daß sie für den „Oscar“ nominiert wurde und sich ihre Silikonkissen wieder hat herausnehmen lassen (würde Pam niemals tun). Vergessen wir das. Auch wenn es schwerfällt. Erinnern wir uns lieber daran, daß Courtney einer Band namens Hole vorsteht. Jener Band, die 1994, im Todesjahr von Courtneys Mann Kurt, mit ihrem zweiten Album LIVE THROUGH THIS zwar nicht unbedingt ein neues NEVERMIND abgeliefert hat. Aber irgendwie nahe dran war, die Verbindung von Lärm und Pop konsens- und auf jeden Fall kommerzfähig zu machen. Dann kam die Zeit, die wir ja für den Moment vergessen wollen. Und heute? Da arbeitet Courtney an einem neuen Hole-Album, das, nach ihrer bescheidenen Selbsteinschätzung, „genremaking“ werden wird. Bis das dann mal irgendwann (beim Major-Label Geffen) erscheinen wird, trösten wir uns mit MY BODY THE HAND GRENADE, einer von Hole-Gitarrist Eric Erlandson kompilierten Anthology mit raren B-Seiten, Demos, Live-Tracks, Cover-Versionen, MTV-Unplugged-Aufnahmen etc. (herausragend: die erste Hole-Aufnähme ever:“Turpentine“ von 1990 und „Miss World“ als 1993er Demo). Und was sagt uns das? Z. B. daß Alternative-Rock mit seinen schreienden, keifenden Vocals und diesen wahnsinnig erdigen Gitarren gestern war und mittlerweile Geschichte ist. Denken wir lieber wieder an Courtney, wie sie sich darstellt auf dem Cover der nächsten Ausgabe von „Vanity Fair.“ In ihrer neuesten Inkarnation. Wie immer die auch aussehen mag.