Hot Chip

One Life Stand

Elektronischer Pop, noch ein bisschen weniger wild zu betanzen. Wir ahnen, wohin die Reise geht.

Nerds? Das sind sozial höchstens elektronisch vernetzte Superhirne, die sich in Frickelarbeiten und endlose Sachdiskussionen plumpsen lassen können wie Eisvögel in Eisbäche und darin gründeln wie Schwäne. Sie tragen Brillen, Shirts mit chiffrierten Logosund fabrikneue Sportschuhe in limitierten Editionen. Hot Chip mit Alexis Taylor ist die größte Nerdband unserer Zeit. Und ONE LIFE STAND, ihr viertes Album, gibt einem (bereits im Titel) einen guten Eindruck davon, wonach diesen Nerds der Sinn steht: soziale Vernetzung mit Berühren, Riechen und Schmecken, Freundschaft, Liebe – nicht zuletzt zu einer Popmusik, die die Zeiten und ihre Geister übersteht. Kurz: das, was fast alle wollen, wenn sie alles betanzt, eingeworfen, ausgelacht und angemacht und mit endlosen Reden belegt haben.

Angelegt war dieses Streben nach Beständigkeit bei dieser Band, in der die Zuständigkeiten relativ klar zwischen Pop- und Dance-Personal aufgeteilt sind, von Anfang an – sonst wären sie nicht so eine große Nummer geworden auch unter Leuten, die die Toilette zu Hause immer noch öfter aufsuchen als jene im Club. Von Album zu Album bewegten sich Hot Chip aber ein Stück weiter weg von dem, was sie auszumachen schien. Eben dieser ziemlich originäre Mix aus Dance und Pop, unmissverständlichen Bässen und Taylors Nachtigallgesängen, dem Stampfen und dem Träumen.

Stay calm, ONE LIFE STAND steht nicht etwa schon am Ende der Scritti-Politti- oder Fleetwood-Mac-Werdung dieser Band. Durch weite Strecken der Platte kickt zuverlässig die Kickdrum, die Synthesizer und zeitgenössisch minimale wie auch aus ihren Anfangstagen überlieferte Housepatterns fliegen hoch, die auf „subtil“ eingestellte Zitatmaschine läuft wie geschmiert. Das Sounddesign ist überwältigend. Aber dennoch zeigen noch mutiger, im Bandformat bis hin zur zärtlichen Popballade ausformulierte Oliver Götz Songs wie „Slush“ und „Keep Quiet“, wohin die Reise geht. Nein, sie wollen uns nichts wegnehmen, sie wollen uns noch mehr geben.

VÖ: 5.2.

www.hotchip.co.uk

Artverwandtes: Erlend 0ye – Unrest (2003), Arthur Russell – Calling Out Of Context (2004)