Joachim Kühn – The Diminished Augmented System
Der in Leipzig geborene Joachim Kühn ist einer der letzten Piano-Freigeister Deutschlands. Schon in jungen Jahren ließ sich Joachim Kühn von der Musik Ornette Colemans infizieren, und seither ließ ihn Colemans Spielweise, sich ohne Akkord-Gerüst und enge harmonische Regeln treiben zu lassen, nicht mehr los. Der doppeldeutige Albumtitel, der sich auch auf musikalische Tonskalensysteme bezieht, drückt also nach wie vor die Verweigerung Kuhns aus. Nach zehn eigenen Kompositionen mit solch ironischen Titeln wie „Rhythmic Inclinations“ oder „Formal Schematics“, in denen der Solopianist Kühn die Möglichkeiten freier Improvisation bis zur Neige ausschöpft, dringt er zur Musik seines wohl immer noch größten Vorbilds vor. „Sex Is For Women“ oder „Foodstamps On The Moon“ von Ornette Coleman zeigen zumindest am Anfang eines jeden Songs, wenn Joachim Kühn das Thema zu entwickeln beginnt-eine vergleichsweise melodische Seite. Doch dann wird’s richtig spannend. Der Freigeist setzt sich mit dem wohl berühmtesten Komponisten seiner Heimatstadt auseinander – mit Johann Sebastian Bach. Die drei Sätze einer Violin-Partitur seziert Kühn regelrecht; er nimmt die kontrapunktischen Motive Bachs auf und dreht sie nach allen Regeln der Virtuosität durch die Freejazz-Mangel. Insgesamt also keine leichte, aber dennoch lohnende Kost – besonders wenn man die Originale kennt.
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