Joni Mitchell – Don Juans Reckless Daughter

Joni Mitchells Entwicklung als Sängerin und Frau ist beeindruckend. Innerhalb von etwa zehn Jahren und mit zehn Plattenveröffentlichungen gelang es ihr, sich von der Folksängerin, die im gleichen Atemzug mit Neil Young genannt wurde, zu einer der interessantesten, unkommerziellsten und emanzipiertesten Sängerinnen zu entfalten und Musikeinflüsse verschiedenster Kulturkreise zu verarbeiten.

Auf ihrem neuen Doppelalbum (mit etwas über fünfzig Minuten ziemlich kurz geraten), bewegt sie sich mit Hilfe von Jaco Pastorius und Airto in Richtung einer Verbindung von Folksong (im weitesten Sinne) und Jazz. Besonders Pastorius‘ weit geschwungene Leadbassläufe ergeben zu Jonis rhythmisch guter Akustikgitarre (offen gestimmt) eine spannungsreiche Verbindung. Auffällig ist die Reduktion der Instrumente auf kleinste Verbindungen wie z.B. Gitarre und Bass, oder Gitarre,Bass und Schlagzeug. Selbst das Orchester, von Mike Gibbs arrangiert, wirkt sehr ökonomisch.

Stimmlich geht Joni nicht immer alle Höhen an, wie etwa auf frühen Platten, sondern arbeitet mehr mit mittleren Lagen, was viel von dem nervösen Eindruck nimmt, der sich manchmal bei ihren früheren Platten einstellte.

Das Gesamtkonzept des neuen Doppelalbums vermittelt eine sehr viel ausgeglichenere und selbstsichere Joni Mitchell. Wobei aber wieder die drei Hauptthemen ihrer vertonten Gedichte im Vordergrund stehen: Die Liebe, Autobiographisches und sozialkritische Probleme. Letztere geraten ihr allerdings meist zu ästhetisch und kunstvoll. Kommerzielle Kompromisse geht sie, soweit das möglich ist, überhaupt nicht mehr ein, und die autobiographischen Texte der ersten beiden Seiten werden immer selbstkritischer. Wie etwa in „Talk To Me“, wo sie sagt: „I’m always talkin! Chicken quawking!“ und dabei ein Huhn imitiert.

Auf der zweiten Seite gibt es nur ein Stück, und zwar das sechzehnminütige „Paprika Plains“, das sich von einem mysteriösen autobiographischen Stück zu einem sehr freien Orchesterwerk ausweitet. Dabei spielt Joni Mitchell Klavier, daß selbst Paul Bley hier nichts zu lachen hätte.

Seite drei beschäftigt sich mit sozialen Problemen der dritten Welt („Otis And Marlena“), wobei die musikalischen Einflüsse von afrikanischen („The Tenth World“) bis zu südamerikanischen Rhythmen („Dreamland“) reichen. Viel Unterstützung bekommt Joni dabei von Airto, dem südamerikanischen Superpercussionisten, und von der Sängerin Chaka Khan.

Die letzte Seite ist den .Liebesliedern vorbehalten. Ob man aber Castanedas „andere Realität“ auf ein Lied verkürzen kann, weiß ich nicht; jedenfalls ist „Don Juan’s Reckless Daughter“ ein Liebeslied an uns alle geworden.

Joni Mitchell(sie selbst ist übrigens der schwarze Herr auf dem Cover) ist ein Stück weiter gekommen. Ein Hinweis, wo sie steht, gibt der letzte Satz, den sie singt:“In my dreams we fly“, wobei sie sicher nicht an Flugzeuge, Drogen oder ähnliches gedacht hat.