LIEDERMACHER

Zur Zeit auf meinem Plattenspieler: Jean Michel Jarre: Zoolook: Chris Farlowe : Out Of The Blue; Mozart: Symphonie No. 40 + 25 (Scortish Chamber Orchestra unter James Conlon); Patrick Moraz/Bill Bruford: FLAGS; Christoph Stählin: Mag Denn Keiner Die Bundesrepublik? Andre Heller will bekanntlich seine Trilogie der bestaunten Ereignisse – Zirkus, Variete, Feuerwerk – mit einem Park zur Quadriga erweitern und sich damit ein wucherndes Denkmal setzen. Seine neue LP, Narren-Lieder (Mandragora/DGG), wird ihm aber kaum die Finanzierung erleichtern, auch wenn „Das Lied vom idealen Park“ eines der gelungensten ist.

Die für Heller beachtliche Lebensfreude und der Schwung des vorigen Albums Stimmenhören, die es zum Gut-Seiler werden ließen, sind verschwunden. Gevatter Tod kommt wieder vor, mit Streichquartett und modernem Chorsatz wird ernsthaft geku(e)nstelt, und um die stilistische Melange vollends undurchschaubar zu machen, spielt Heller im Duett mit Wolfgang Ambras den fetzenden Rocker.

Weil der Poet novembergrau wieder mal um sich selbst mäandert (drei Lieder sind von Anfang der 70er Jahre), gewinnen die exzellenten Arrangements und grandiose Musiker wie Astor Piazolla und Sängerin Flora Purim die Oberhand.

Ihn interessiere „nur eines: der Ewigkeitsanspruch“, verkündete Heller. Gibfs deshalb die Narrenlieder, die keine sind, auf CD? (2) Ebenfalls von der Donau kommt das Gegenstück zu Hellers „mind games“: Stefanie Werger und ihre Lust Auf Liebe (Mercury). Nach angerockten, schlagerhaften Liedern präsentiert die zweite Seite der LP mit dem ungeschminkten „Guten Morgen Österreich“ die stachelige und mit „Mei Herz braucht a Service“ die dünnhäutige Seite einer Sängerin, die ihre eigene Linie gefunden hat.

Und endlich mal drei neue Themen: die Absage an den Märchenprinzen („A Mann wie Du…“), die Hirnwäsche für alle „Emma“-Courage – und in „Wiegenlieder“ die Antwort der Kinder auf die hypothetische Frage, ob sie überhaupt aus dem Bauch wollen. Musikalisch sehr geradlinig – oder, wenn man will, eindimensional -, ist das neue Werger-Album leicht verständlich, ohne leichtgewichtig zu sein. (4) Man sollte sich von Jim Raketes Kolorierungs-Ausrutscher auf dem Cover nicht abschrecken lassen.

Daran zu erinnern, daß man zur Gesangsstimme nur eine Gitarre und viele Ideen braucht, um Ungewöhnliches zu liefern, ist erneut das Verdienst von Karin und Dieter Huthmacher. Bloßgelegt (bei: Doppelfant, Postfach 5, 7264 Bad Teinach) nennen die Huthmachers ihre dritte LP. Eindrucksvoll, weil schlicht; abwechslungsreich, weil hochkreativ; angenehm, weil gekonnt; so erzählen sie Geschichten von der Liebe Lust und Leid, vom Spiel und dem hetzigen Ernst des Lebens und setzen ihre ganz eigenen musikalischen Fabeln fort. Sie brauchen keines der abgenutzten Ausrufezeichen, Marke Ärmel-hochkrempeln, und wer genau hinhört. entdeckt auf kleinstem Raum – Betonungsverschiebung auf „modern“ eine Absage an den Zeitgeist und in jedem Takt eine Zusage an Qualität.(5) Die Überraschung dieser Wochen kam als Kritikerprüfung zweiten Grades ins Haus; als MC ohne Autoren- und Musikerangaben, ohne Textblatt und die zuweilen zitierbaren Infozettel. Bei Mondschein (Teldec) heißt die neue Song-Kollektion von Wolfgang Michels, die eher in die Abteilung rockige Pop- oder Schlagermusik gehört, aber als Wandlungsbeweis eines Liedermachers Beachtung verdient.

Mit dem Bekenntnis zum vollen Namen gab Michels gleichzeitig das ehrlich gemeinte, aber wenig wirksame Suchen auf Dylans Spuren auf. Daß er auf ganz andere Art gut sein kann, beweisen die neuen Varianten seines Lieblingsthemas „Mond“ (besonders die Typologie „Bei Mondschein“ hat Hitchancen).

Textlich kam er von der wackeligen Anspruchskante reiner Nabelschau weg, musikalisch gewann er zudem durch den rockigen Kontext mit Betonung auf den Gitarren (ist ja auch sein Instrument). Reizvoll der Kontrast der coolen Stimme zum prallen Umfeld inklusive nostalgischem Schubidu-Chor. Und die überfällige „Vatermorgana“ sollten sich die Väter von morgen lieber heute mal anhören; vielleicht hilft’s.(4)