Lolita

LOLITA, dieser Klassiker der erotischen Literatur, ausgerechnet in den Händen von Adrian Lyne, jenem Mann, der zuletzt Demi Moore ein unmoralisches Angebot unterbreitete? Keine Angst, Lynes Definition von Erotik mag nicht die sinnlichste sein, aber der Mann ist kein Stümper – und er hat Nabokov genau studiert. 35 Jahre nach der aufgrund ihrer Entstehungszeit doch sehr zahmen Verfilmung von Stanley Kubrick, in der sich James Mason in eine doch immerhin 16jährige verlieben durfte, orientiert sich Lyne an der Vorlage und bringt Lolitas kindlichen Charme ins Spiel. Eine Altherrenphantasie ist dieses Porträt eines bemitleidenswert lächerlichen Mannes dennoch keineswegs. Und das nicht nur, weil Lyne weitgehend auf nacktes Fleisch verzichtet hat. Er zeichnet die verhängnisvolle Beziehung des Humbert Humbert (Jeremy Irons einmal mehr ideal besetzt mit einem kleinen Hauch feinsten Humors) zu der kecken Titelheldin (Dominique Swain aus „Face/Off“) als destruktive Abhängigkeit voller Selbstbetrug und Demütigung, eine Liebe, die nie erwidert wird. Voyeure kommen da sicher nicht auf ihre Kosten, allerhöchstens Masochisten. Und doch geht von diesem verblüffend zurückhaltenden Film ein faszinierender Reiz aus, weil er den Kopf anspricht und den Bauch geschickt ausspart. Warum dieser Film in den USA für so viel Wirbel sorgte, daß er bis heute keinen Verleih gefunden hat, ist somit unverständlich.